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In Your Face Friday - Betrugsfalle für Betrüger

karlstiefel 20.09.2013 9563 11
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"Guten Tag! Ich werde politisch verfolgt und muss mein Geld aus dem Land bringen." Der klassische Nigeria-Scam, wie er hundertfach in unseren Spam-Ordnern landet. Für Baiter ist der versuchte Betrug jedoch nicht löschenswert, sondern viel mehr eine Herausforderung. Die Scammer werden belogen, betrogen und ausgetrickst - dabei wollten die das doch selber machen!

Ihr müsst euch mich mal kurz vorstellen, wie ich in einem schick eingerichteten Salon in meinem Herrenhaus sitze. Im Kamin knistert das Feuerholz, ich selbst gönne mir einen schottischen Whiskey während ich im zinnoberroten Bademantel im Ohrensessel sitze. Gemächlich setze ich meine Lesebrille auf und nehme eine ledergebundene Ausgabe des Strafgesetzbuches zur Hand.
"Paragraph 146 des Österreichischen Strafrechts: Wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."
Ich kippe den Whiskey runter (war eh nur Club Mate), ziehe meinen gar nicht zinnoberroten Batman-Bademantel aus und stehe aus dem Ikea-Klappsessel auf. Dann setze ich mich an den Computer, der Kaminfeuer-Bildschirmschoner verschwindet und ich checke meine Mails. So verlassen wir sowohl die Fantasiewelt von karlstiefel, als auch die der nationalen Gesetzgebung. Den Verfassern der abgefangenen Mails in meinem Spamordner ist diese nämlich herzlich egal, schließlich befinden sie sich in anderen Ländern. Als Nigeria-Scam oder 419-Scam (so der entsprechende Gesetzescode in den USA) ist der Betrugsversuch bekannt. Hier gibt es verschiedene Spielarten: der "Klassiker" verspricht dem Opfer Geld für die Hilfe, zu unrecht beschlagnahmtes Geld aus einem Land zu schaffen. Die "Love mails" setzen auf Herzschmerz und appellieren an die Gefühle (und die Brieftaschen) der Empfänger. Um Geld geht es auch bei Lotteriegewinnen und dem zu hoch versteuerten Erbe fiktiver Verstorbener. Schließlich gibt es noch ganz besondere Angebote bei den Scams: Jobs, seltene Tiere, attraktive Dienstleistungen.
Alles, was der Empfänger der Mails machen muss, ist einen gewissen Vorschuss auf ein Konto zahlen, um für die Transaktionsgebühren aufzukommen. Sollte er/sie das machen, ist der gezahlte Betrag bis auf den letzten Cent verloren.

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Der Betrugsversuch dieser beiden Scammer ist nach hinten los gegangen - sie landeten in der Hall of Shame von 419eater.

Ihr werdet jetzt vielleicht "olololol" und "roflkopter" sagen. "Darauf fällt doch keiner rein", denkt ihr wahrscheinlich. Aber die Betrugsversuche funktionieren - genau darum gibt es sie auch. Es werden tausende Mails verschickt von denen vielleicht eines beantwortet wird. Die Scammer, auch "Mugus" genannt, klammern sich an diese eine Antwort und wittern hier das große Geld. Was die wenigsten vermuten ist, dass sie selbst einem Betrüger auf den Leim gegangen sind. Baiters, oder 419-Eaters wie sie sich selbst gerne bezeichnen, machen sich ein Spiel aus dem versuchten Betrug. Sie legen sich ähnlich wie die Scammer selbst mehrere Persönlichkeiten zu, machen Versprechen und lügen, bis sich die Balken biegen. Der wohl "erfolgreichste" Fall einer solchen Konter-Aktion geschah 2006. Damals hatten es die Mitglieder eines einschlägigen Forums geschafft, einen Mugu in Afrika auf eine Reise zu schicken. Von Porto Novo, Nigeria, sollte der als "Mr. Kuku" bekannte Mann nach Oure in den Chad reisen. Dort wollte er zusammen mit einem Kollegen den fiktiven Reverent Belcher treffen, welcher ihm die 145.000 Dollar "Transaktionsgebühren" zu Kosten einer Hilfsorganisation der Kirche geben sollte. Als Mr. Kuku dort eintraf, war der gute Reverent jedoch "nicht mehr im Land" - er musste plötzlich in die Dafur Region im benachbarten Sudan. Dort herrschte zu diesem Zeitpunkt Krieg, es wurde mit Arabisch eine andere Sprache als in Nigeria gesprochen und das Land war (und ist) stark muslimisch geprägt. Unbekanntes Gebiet für Mr. Kuku also. Dieser folgte der Spur und saß bald im Konfliktgebiet fest - ohne Geld, krank und verzweifelt. Die Baiter schickten ihm via Mail ein in Arabisch verfasstes Schild, mit dem er bei der lokalen Polizeistation um Hilfe fragen sollte. Bloß leider Stand darauf, dass er ein Krimineller sei, verhaftet werden sollte und dass Allah blöd ist.
Mit ihren letzten Mitteln und anscheinend verletzt schafften es die beiden Betrüger noch aus dem Land. Zu Hause angekommen zeigten die Baiter ihr wahres Gesicht und führten den Scammern vor, wie sie 20 Tage lang quer durch den Afrikanischen Kontinent auf eine Odyssey in das Unglück geschickt wurden. Die Baiter fanden das witzig, die Scammer nicht so.

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Reverent Belcher war frei erfunden, der bewaffnete Konflikt im Sudan jedoch nicht.

Nun lässt sich diskutieren, wie vertretbar es ist, einen solchen Kriminellen in Lebensgefahr zu bringen. Obwohl es sich um eine perfide Vorgehensweise handelt, den guten Willen ahnungsloser aber zahlungskräftiger Opfer zum eigenen Vorteil zu nutzen lässt sich darüber streiten, ob die Mugus eine solche Behandlung verdient haben. Für die Baiter ist die Sache klar: Ja, haben sie. Ein Nachtrag könnte jegliches Mitleid für die in Gefahr geratenen Männer nämlich massiv lindern. Mr. Kuku hat nämlich kurz nach seiner Rückkehr mit den Betrugsversuchen weiter gemacht. Wieder wurde ein Mitglied des Forums darauf aufmerksam. Er gab sich als Mexikaner aus, der knapp bei Kasse war und dem ach so bedürftigen Mr. Kuku dennoch helfen wollte. Nur müsse dieser warten, da der "Mexikaner" gerade eine kranke Tochter hat, welche unbedingt operiert werden müsse. Mr. Kukus Vorschlag: Helfen Sie zunächst mir, dann kümmern Sie sich um Ihre Tochter. Selbst wenn die kleine Tochter nur erfunden war - für den Scammer war sie real. Ihn kümmerte das Schicksal des Kindes kein Stück. Ob jemand mit einem solchen Verhalten einen Höllentripp dieser Art verdient, bleibt Diskussionsstoff. An diesem Beispiel sehen wir zumindest was passiert, wenn zwei Stellen ohne Gewissen digital aufeinander treffen. Es bleibt einem selbst überlassen, ob man darüber lacht oder einfach nur noch den Kopf schüttelt.
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