"Christmas - the time to fix the computers of your loved ones" « Lord Wyrm

In Your Face Friday - Das Konnektiv

karlstiefel 10.01.2014 8274 4
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Männlich, 27, Gmail-Nutzer - sieht so die gesellschaftliche Kategorisierung der Zukunft aus? In einer Zeit, in der Grenzen verschwimmen wird die Art der Kommunikation immer wichtiger. Bloß nutzt diese Zukunftsvision nicht jedem - wer nicht interagiert, bleibt auf der Strecke. Schauen wir uns also an, wie die Bewohner unserer immer kleiner werdenden Welt zueinander abgrenzen.

Wir haben ja bereits die Zukunft. Also nicht nur 2014 - und somit nur noch ein Jahr bis zum Hoverboard - sondern generell. Das merkt man an den verfügbaren Technologien, der damit einhergehenden Kultur und den Menschen, die diese pflegen. Am merkbarsten ist das bei den "Digital Natives", also Leuten, die mit Computern aufgewachsen sind. Das macht eine genaue Definition jedoch ziemlich schwer. Wer noch mit COBOL programmiert und auf Lochkarten gespeichert hat, lässt sich nicht als Mitglied dieser Gruppe einordnen. Es geht um den breitenwirksamen Gebrauch, die Etablierung der digitalen Medien im Alltag, welche seit den 80er Jahren der Fall sind. Seitdem gibt es Leute, ich bin einer davon, die sich eine Welt ohne Computer, MP3-Player und Handy nicht mehr vorstellen können. Was für mich der Normalzustand ist, bleibt für meine Eltern stellvertretend für alle vorhergehenden Generationen eine Neuerung. Das heißt jetzt nicht, dass die älteren Semester keine Tablets, Smartphones oder Cloud-Speicherdienste verwenden. Trotz der “digitalen Integration” sind es jedoch zusätzlich angelernte Kulturtechniken, mit denen die Anwender nicht aufgewachsen sind. Wer hier den Anschluss verpasst hat, ist für ein Loch zwischen den Generationen verantwortlich. Plötzlich wollten Kinder Computerspiele, die von ihren Eltern nicht eingeordnet werden können, da ihnen die dazugehörige und durch Auseinandersetzung erlernte Kompetenz fehlt. Wer nicht aufholt, kauft seinem 13-Jährigen halt Call of Duty. Das ist nur ein Symptom der neuen Medienlandschaft, in der sich die “Digital Natives” und “Digital Immigrants” ganz natürlich bewegen während Außenstehende das Angebot zwar oft nutzen, jedoch nicht ganz verstehen. Für diese … wie kann man sie nennen … digitalen Ausländer (?) gibt es dann Handys mit großen Tasten, Computerkurse und Windows 8.

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Technologie ändert die Gesellschaft, die Gesellschaft ändert die Menschen und die Menschen ändern die Technologie.
Bewiesen von XKCD

Zurück zu denen, die sich regelmäßig über Änderungen im Design von YouTube aufregen können. Irgendwie greift bei den Betroffenen die klassische Demographie nicht mehr. Klassische Merkmale wie geographische Zugehörigkeit, Alter und sozialer Stand in der jeweiligen Gesellschaft haben an Wert verloren. Ein Mechaniker-Lehrling aus Wien Ottakring kann sich genau so auf Facebook anmelden wie ein Millionär an der US-Ostküste. Was die Mediennutzung angeht, kann dieses ungleich wirkende Paar doch viel gemeinsam haben. Vielleicht sind sie sogar Candycrush-Freunde. Beide haben durch die Anteilnahme an der digitalen Kultur eine neue Kommunikationsebene geschaffen, der ein gewisser Selbstzweck nicht abzusprechen ist. Es ist egal, was man auf Facebook oder WatsApp sendet und empfängt - Hauptsache, man kommuniziert und ist somit ein Teil eines größeren Ganzen. Ich gehe sogar weiter und behaupte, dass dieses “Konnektiv” eine weitere Bewusstseinsebene für die Teilnehmer geschaffen hat. Der Psychoanalytiker und Kokain-Fan Sigmund Freud hat hier schön unterteilt: Während das “Es” die Bedürfnisse unseres Verstandes darstellt und das “Ich” die bewussten Entscheidungen trifft, erzeugt das “Über-Ich” die passenden Werte. Instinkt, Verstand, Gesellschaft. Nun kommt das “Internet-Ich” dazu, eine digitale Repräsentation unserer Person. Am konkreten Beispiel karstiefel wären das der IYFF, meine Email-Adresse und mein Google-Account. Mit diesen Mitteln, die ich bewusst kontrollieren kann, zeige ich mich im Internet. Ihr habt mich (größtenteils) noch nie getroffen und doch habt ihr eine gewisse Vorstellung davon, wer ich bin. Dieser Eindruck wurde durch die gemeinsame Kommunikation über overclockers.at hergestellt. Ob ich so bin, wie ihr euch durch den von mir geschaffenen Avatar karlstiefel vorstellt, müsste sich aber erst zeigen.

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In den vereinigten Arabischen Emiraten gibt es 2,09 Handys pro Person - mobile Kommunikation als Selbstverständlichkeit.

Wir alle hier, in den Artikeln, Kommentaren und PMs, haben unsere eigene Öffentlichkeit geschaffen, in der wir mit unseren Internet-Ichs unterwegs sind. Das ist stärker als jedes demographische Merkmal. Der soziologische Aspekt unserer Mediennutzung hat dermaßen stark an Gewicht gewonnen, dass wir uns darüber definieren können. Etabliert hat sich das noch nicht, schließlich ist es erst ein kurzfristig aufgetretener Trend, kaum älter als 20 Jahre. Es besteht aber die Möglichkeit, dass wir die Zeitzeugen einer maßgeblichen Änderung in unserer Gesellschaft sind. Ob man bei der Volkszählung im Jahr 2070 neben dem Geschlecht und der Staatsbürgerschaft auch die bevorzugte Social Media Plattform angeben muss, bleibt also abzuwarten. Bis dahin können wir Theorien wie diese ja sharen, liken, retweeten, bloggen, upvoten, ...
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