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In Your Face Friday - Spaß an der Angst

karlstiefel 04.10.2013 7830 3
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Es ist dunkel, Schatten verhüllen den Raum. Der eigene Blick hat sich den Gegebenheiten angepasst und man kann ein wenig Restlicht erkennen. Genug um zu wissen, dass man nicht erblindet ist, zu wenig um tatsächlich etwas zu erkennen. Genau dann stellt sich heraus, dass dieses leise Atmen nicht von einem selbst kommt. Es blieb noch genug Zeit, um die Gänsehaut zu genießen.

Emotionen und Gefühle sind rein biologisch gesehen Werkzeuge, die uns in bestimmte Richtungen lenken sollen. Es fühlt sich gut an, zu essen - darum essen wir. Um den Fortbestand der eigenen Spezies zu sichern, fühlt sich der dazu benötigte Akt auch entsprechend gut an. Wir fühlen Schmerz, um von Gefahrenquellen fern zu bleiben und um die verletzte Körperstelle lokalisieren zu können. Alles so weit logisch.
Dann gibt es die Angst. Im Wissen, dass wir verletzt werden können, wollen wir eben dies vermeiden. Angst ist hier ein gutes Werkzeug, welches uns von gefährlichen Situationen fern halten soll. Aber sie ist so viel mehr als nur das. Während Hunger oder Schmerz für jedes Lebewesen leicht verständlich sind, tut sich bei der Angst ein wahrer Abgrund auf. Gegen die Symptome lässt sich in manchen Fällen noch etwas unternehmen, gegen die Furcht selbst jedoch nicht. Sie ist unlogisch, tiefer in uns verankert als jede Logik und vereinnahmend. Wer sich von ihr konsumieren lässt, gilt als geistig krank. Hier greifen Mechanismen, die wir nicht immer kontrollieren können.

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Mit verstörenden Bildern schafft Amnesia: A Machine for Pigs eine bedrohliche Stimmung.
Das freut den großen alten Gott Nyarlathotep, hier mit seinen zwei idiotischen Flötenspielern.

Vielleicht ist es deshalb so schwer, einen guten Horrorfilm oder ein gutes Horrorspiel zu schaffen. Erschrecken kann man sein Publikum ja einfach: Das plötzliche Erscheinen einer Figur in Kombination mit einem dramatischen Soundeffekt - genannt "Stinger" - klappt fast immer. Der Jump Scare ist hier gemeint. Mit diesem Mittel wird jedoch kein wirklicher Horror erzeugt. Viel mehr wird Angst geschürt und Ekel erzeugt. Kult-Autor Stephen King beschrieb den Horror als das Unnatürliche. Riesen-Spinnen und Zombies, Monster im Dunklen. Hier wird Furcht durch einen Fluchtreflex erzeugt. Wir wissen, dass uns etwas verfolgt und dass wir zwar laufen, uns aber nicht verstecken können. Das, wovor wir Angst haben, hat ein Gesicht … oder etwas Ähnliches. Wesentlich bösartiger ist daher, was King als Terror bezeichnet: die Furcht vor dem Unbekannten. Stellt euch vor, ihr kommt nach Hause und jeder Gegenstand wurde durch eine exakte Kopie ersetzt. Plötzlich spürt ihr einen eiskalten Atemzug im Genick. Ihr dreht euch um, nur um absolute Leere vorzufinden. Euch durchdringt ein beklemmendes Gefühl, obwohl nichts passiert ist. Noch nicht.

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Ein ganz normaler Tag in Night Vale.

Mit unterschwelligen Details lassen sich so grandiose Grusel-Geschichten erzeugen. H.P. Lovecraft zeigt das in seinem Werk "Die Ratten im Gemäuer". Hier findet ein Hausbewohner aufgrund des Ungeziefers den Eingang zu uralten Katakomben unter seinem Anwesen. Die dortigen Skelette weisen auf Menschenopfer hin, welche bis in die Urzeit zurück gehen. Beunruhigend ist, dass der Abgang zu der versteckten Grotte mit Meißelschlägen von unten geschaffen wurde. Hier wird eine bedrückende und furchteinflößende Stimmung geschaffen, ohne dass ein einziges Monster einen Gastauftritt hat.
Die lovecraft'sche Absurdität wird durch einen aktuellen Podcast noch gesteigert. In "Welcome to Night Vale" hört man das Gemeinderadio der gleichnamigen Stadt. Hier sind die Dinge nur etwas … anders. Es stört die Bewohner jedoch nicht, dass sie die Geheimpolizei des Sheriffs permanent überwacht, dass die Pfadfinder eher einem satanischen Kult gleichen oder dass mitten in der Wüste ein Hafen gebaut wurde. Oder der neue Hundepark, in dem keine Hunde erlaubt sind. Und keine Menschen. Die vermummten Gestalten, die sich dort in manchen Nächten versammeln, sollen die braven Bürger auch ignorieren. Am Besten, man nähert sich dem Hundepark nicht, redet nicht über ihn und denkt nicht an ihn - das hat der Stadtrat nämlich zum Gedankenverbrechen erklärt. Das Bizarre ist in Night Vale Alltag. Hier wird Horror mit Humor kombiniert - zur Gänsehaut gibt es einen Grinser gratis dazu.
Und geht es nicht genau darum bei dem Genre? Egal ob Film, Geschichte oder Spiel - der irrationale Grusel und das Ungewisse entführen uns in eine Welt, die wir nicht verstehen können. So entsteht der Nervenkitzel, den wir trotz all des in uns verankerten Fluchtverhaltens doch so mögen. Jenseits von Logik und Rationalität setzen uralte Instinkte ein, welche wir im Alltag tief in das Unterbewusstsein verdrängen. Ein Jump Scare lässt zwar das Adrenalin durch unseren Körper schießen, doch echter Terror nach der Definition von Stephen King macht viel mehr für uns. Er erinnert uns daran, dass wir zerbrechlich, emotional und manipulierbar sind. Er erinnert uns daran, dass wir Menschen sind.
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