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Spielkonsolen unter der Fuchtel

karlstiefel 29.11.2010 14264 19
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Sonys Move wandert derzeit fleißig von den Regalen in die heimischen Wohnzimmer und seit einigen Tagen holt auch Microsoft mit Kinect die Gamer reihenweise von ihrer Couch. NATÜRLICH verkaufen sich die Bewegungssteuerungen wie verrückt und das trotz Kritik seitens der Hardcore-Spieler. Aber warum ist das Hampeln vor dem Fernseher so in? Nehmen wir den Trend mal unter die Lupe!

Retrospektive

Die Wii hat es vorgemacht: Zocken muss nicht nur Rumsitzen bedeuten und die Verkaufszahlen bestätigen das. "Nur" Jahre später ziehen jetzt Microsoft und Sony nach. Dabei ist die Idee gar nicht mal so neu, denn schon Sega hat anno 1993 mit dem Genesis Activator ein ähnliches Konzept verfolgt. Diese achteckige Einladung zum Drüberstolpern erkannte, auf welcher Höhe die Hände oder Füße über den Plastik-Schienen gehalten wurden. Dadurch ließ sich jeder Richtung zwei Knöpfe (insgesamt also 16) zuweisen. Die Steuerung wurde allerdings von keinem einzigen Spiel wirklich unterstützt und eine Runde Sonic the Hedgehog 2 kam eher einem unfreiwilligen Training mit Wii Fit gleich.

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Genesis Activator von Sega: Kinect anno 1993!


Zehn Jahre später versuchte sich Sony mit dem Eye Toy, einer Kamera, die eigentlich nur erkannte, ob sich auf einem gewissen Punkt im Blickfeld ein Teil des Spielers befindet. Die meisten Spiele brauchten ein direktes visuelles Feedback und im Endeffekt kam es immer auf dasselbe heraus: Man sah sich selbst bei schrägen Verrenkungen zu, während im Vordergrund einige Spielelemente tanzten.

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Eye Toy von Sony: Spielerisch mit Überwachung anfreunden


Gegen den Trend

Von 90er-Sünden und teuren Webcams zur aktuellen Konsolen-Generation: Während sich Microsoft und Sony ein Wettrennen um die leistungsfähigere Konsole und das dominante Datenträger-Format gestritten haben, verweigerte Nintendo sich dieser Entwicklung. Statt in das Technik-Rennen zu investieren, wurde die Revolution entwickelt, die wir später unter dem Namen Wii kennen lernen sollten. Markant an der neuen Konsole war die Wiimote, ein Controller der Bewegungen sowohl durch einen Bewegungssensor, als auch via Infrarot registrierte. Die Erwartungen waren astronomisch hoch, denn viele erhofften sich eine 1:1-Umsetzung kleinster Gesten in unterschiedlichsten Spiele-Genres. Zwar erhielten alle Wii-Spiele die notwendige Steuerungsunterstützung, doch die Wiimote nahm lediglich grob die Bewegungen wahr. Erst Jahre später wurde die Präzision mit dem Wiimotion Plus-Addon verbessert. Dennoch ging die Rechnung auf und die Wii verkaufte sich bis jetzt über 76 Millionen Mal. Für die Konsole spricht auch, dass seit 2007 jedes Jahr Wii Sports das meistverkaufteste Konsolenspiel ist. Wobei hier auch die Verkäufe durch Konsolen-Bundles hinzugerechnet werden muss.

Jetzt wollen Microsoft und Sony auch ein Stück vom Konsolen-Kuchen naschen und reichen mit Kinect und Move ihre Ideen einer Bewegungssteuerung nach. Während Sony dem Spieler noch einen Controller in die Hand drückt, verzichtet die Konkurrenz aus Redmond bereits ganz auf Peripherie.

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Da jede Konsole nun Bewegungssteuerung hat, werden beliebte Spieleserien mit entsprechender Unterstützung zu den neuen Zugpferden.


Der Drang zum Neuen

Als gestandener Hardcore-Zocker steht man jetzt vor den Regalen im Elektronikgeschäft und fragt sich "Was soll das?". Die Teile verkaufen sich wie verrückt, obwohl sich langjährigen Spielern nicht erschließt, warum Bewegungssteuerungen dermaßen im Trend liegen. Das Prinzip "DU bist der Controller" wird als witziges Gadget und Casual-Blödsinn abgetan. Zwar wurde eine Move-Unterstützung für Killzone 3 angekündigt, aber ehrlich ... wer möchte nach einem langen Tag in der Arbeit noch vor dem Fernseher rumfuchteln? Sind Konsolen nicht so beliebt geworden, weil man sie eben einfach nur einschalten muss, um sofort mit dem Gamepad in Händen auf dem Sofa zu versinken? Oder ist meine Einstellung da einfach zu konservativ?

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Links steckte das 3D-Platforming noch in den Kinderschuhen, rechts dürfen wir uns über detailverliebte Welten freuen.


Gehen wir einmal einen Schritt zurück und schauen uns eine andere, aber im Großen und Ganzen sehr ähnliche Entwicklung an: Frühe 3D-Spiele. Um das Jahr 2000 herum war der Trend zu klobigen Polygon-Figuren schlussendlich unaufhaltsam ausgebrochen und so gut wie alle Spieleserien wagten den Schritt in die dritte Dimension. Wobei ... oft war das eher ein Sprung in den Abgrund. Statt einem guten 2D-Jump'n'Run wurden schreckliche 3D-Platformer realisiert, die den Fans von großen Serien wie Castlevania die letzten Haare gekostet haben. Doch man glaubt es kaum, wie sehr sich die Dinge ändern können. Erst dieses Jahr ist ein neuer 3D-Teil der Vampirjäger-Serie heraus gekommen und er ist doch recht gut und wirklich schick geworden. Was den vermurksten 3D-"Klassiker" vom neuen Spiel unterscheidet? 10 Jahre Technologie! Denn obwohl die Pioniere ihr Ding oft eher schlecht als recht machen, so ebneten sie doch den Weg für die Zukunft. Und genau das könnte auch auf die Bewegungssteuerungen zutreffen. Was heute als witziges, aber für Hardcore-Spieler nicht wirklich einsatzfähiges Gadget gesehen wird, könnte in einigen Jahren bereits zu einem ausgereiften Teil der Spielekultur avancieren. Die Entwicklung vom Primitiven über das Komplizierte, bis hin zum Einfachen braucht eben Zeit und Opfer. Also auf gut Deutsch hie und da mal ein verdammt schlechtes Spiel, das zum Wohle aller Gamer auf dem Altar geschlachtet wird.

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Ab auf die Schlachtbank: Far Cry Venegeance, eines der schlechtesten Fuchtelspiele ever!


Zurück in der Gegenwart schauen wir uns das Ganze mal realistisch an: Es wird nie eSport auf der Wii geben und Online wird Call of Duty auch so schnell nicht mit Move/Kinect gespielt werden. Aber dafür sind diese Steuerungsmöglichkeiten auch nicht gedacht. Sie sollen viel mehr einfach nur Spaß machen. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass neue Technologie gerne übermäßig (oder gar nicht) verwendet werden, wenn sie auf den Markt kommen. Schließlich glitzert ein riesiges "NEU" darauf und die Marketing-Abteilung erhält wieder Existenzberechtigung. Nintendo hat es vorgemacht, Sony und Microsoft sind nachgezogen und jetzt heißt es für Kritiker und Bewegungsmuffel ... Abwarten! Die anfängliche Euphorie kann schließlich nicht ewig aufrecht erhalten werden. Und gerade weil die Ganzkörperbewegung wohl nicht mehr so schnell von unserer geliebten Bildfläche verschwindet, trauen wir uns sagen, dass der Trend vor allem in Richtung Verbesserung geht. Sowohl die Hardware, als auch die dazupassenden Spiele müssen weiterhin verfeinert werden und das genau solange, bis sich die Technologie wieder irgendwo zwischen "Hardcore" und "Casual" einpendelt. Bis dahin heißt die Devise: Möglichst wenig bewegen.

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Die üblichen Verdächtigen: Playstation Move, Xbox Kinect und die Wiimote (Bildquelle: cnet.co.uk)
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