Eine Frage an die Leute hier, und das ist bitte absolut keine Trollfrage.
Was ist mit Formulierungen wie "Da seh ich schwarz" o.ä.?
Das folgt ja der selben Logik wie Black/Whitelist (auch wenns kein "Ich seh weiß" gibt) - auch verbannen? Wo/wie will man die Grenze ziehen wenn nein?
Da gab es auch bei uns schon Diskussionen. Schwarzmalen, "da sehe ich schwarz", Schwarzmarkt, Schwarzarbeit, schwarze Listen in verschiedensten Bereichen, etc.
Natürlich ist "schwarz" auch bei uns negativ besetzt, sogar stärker noch als in vielen anderen Kulturkreisen (so ist Schwarz bei uns ja auch die Farbe der Trauer).
Etymologisch hat das aber, eh klar, überhaupt gar nichts mit der Hautfarbe von Menschen zu tun.
Ich kann verstehen, dass es im 21. Jahrhundert verlockend ist, aus der negativen Besetzung von "Schwarz" auch im deutschsprachigen Raum einen Zusammenhang mit der Diskriminierung Personen schwarzer Hautfarbe zu konstruieren. Das passt in die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen, in eine Kultur des Self-Victimizing.
Ich halte es aber eben nur für eine Konstruktion. Aber genauso wenig, wie ein Schwarzer sachlich beweisen kann, dass er deshalb diskriminiert wird, weil tief in unseren Köpfen Schwarz=Schlecht verankert ist, kann ich ihm das Gegenteil beweisen. In Studien kann ich wohl beides beweisen, und letztendlich ist es auch egal, was so eine Studie zeigt, solange eine Seite anders "fühlt".
Man könnte natürlich dagegen halten, dass auch in Sprachen und Kulturräumen, in denen Schwarz nicht negativ besetzt ist, Schwarze trotzdem diskriminiert werden (deal with it - Schwarze werden überall auf dieser Welt diskriminiert, und in Afrika machen sie sich gegenseitig das Leben schwer, weil der eine meint weniger Schwarz als der andere zu sein).
Das hilft nur alles nichts, wenn es um gefühlte Ungerechtigkeit geht. Und mehr ist die Diskussion um Sprachsensibilität nicht mehr - den Konsens, dass wir nicht mehr Nigger sagen, gibt es ja, und bei Blacklist sind wir jetzt schon stark im Bereich der subjektiven Empfindungen.
Da kann man nur entweder sagen: ihr spinnt ja alle, haut euch über die Häuser mit eurer Sprachdiktatur.
Oder man sagt: ok, es gibt Menschen die da sensibel darauf reagieren, und weil uns eine Änderung nicht weh tut, tut wir ihnen den Gefallen eben.
Zweiteres behebt natürlich nicht ein einziges Problem. Kein Schwarzer wird besser behandelt werden, weil wir nicht mehr Blacklist sagen. Es wird sich auch die Einstellung unserer Kinder zu Schwarzen nicht ändern, nur weil die Eltern nicht mehr Blacklist sagen, ansonsten aber rassistisch eingestellt sind.
Die Frage ist, wie weit wir als Gesellschaft auf Sensibilitäten von Subgruppen eingehen wollen und können.
OK, wir sagen nicht mehr Neger, wir sagen nicht mehr Zigeuner, wir sagen nicht mehr Katzlmacher oder Tschusch oder Bimbo. Und Schwuchtel und Mongo sagen wir auch nicht mehr.
Das ist gut, dass wir diesen gesellschaftlichen Konsens haben, denn diese Worte sind zweifelsfrei beleidigend und herabsetzend, und waren sprachgeschichtlich auch nie anders gemeint.
Aber wo setzt man Grenzen?
Oder wollen wir gar keine Grenzen setzen?
Dann ist aber auch der Einwand, dass sich jemand durch die umgangssprachliche Verwendung von "blauäugig" diskriminiert fühlen könnten (ich glaube 22zaphod22 hat das Beispiel heute gebracht) voll zu akzeptieren, und das Wort nicht mehr zu verwenden. Und dann ist es mit unserer Sprache bald vorbei, weil es kaum Wörter gibt, bei denen sich nicht jemand getriggert fühlen könnte (ich sage nur Possessivpronomen - da kann man heutzutage ganz tief ins Fettnäppfchen treten - und "Fettnäppfchen" triggert sicher auch wieder jemanden).
Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der sich jeder wohlfühlen kann, und Sprache spielt da auch eine Rolle.
Ich tue mir aber schwer, wenn zunehmend Rationalitäten über Bord geworfen werden, und Einzelmeinungen und -empfindungen durch soziale Medien hochgespielt werden.
Das trifft so natürlich überhaupt nicht auf #blacklivesmatter zu. An der strukturellen Benachteiligung Schwarzer in den USA gibt es ja überhaupt nichts zu rütteln, und ich habe lange genug in den USA gelebt um das direkt zu erleben. Das sind Fakten, kein Empfinden.
Ich finde es aber schwierig, wenn nun die großen, existierenden Probleme mit einer Diskussion über "Blacklist" vermischt werden. Damit wird ein wichtiges Thema einmal mehr an rational gesehen "Nichtigkeiten" zerrieben, für die eine Mehrheit der Gesellschaft gar kein Verständnis aufbringen kann.
Im Falle der USA spielt diese Diskussion einmal mehr Trump in die Hände. Jede Wortmeldung zu "wir sollen nicht mehr Blacklist sagen" bringt ihm 10 neue Wähler. Und gleichzeitig ändert sich aber nichts daran, dass Schwarze benachteiligt werden.