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"Wer nichts zu verbergen hat...

that 24.07.2007 - 22:29 4128 37 Thread rating
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that

Hoffnungsloser Optimist
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...hat von den ganzen neu eingeführten 'Antiterrormaßnahmen' ja nichts zu befürchten."

Dieses haltlose Argument höre ich leider immer wieder, darum möchte ich diesen Thread dazu nutzen, Gegenargumente und Meinungen zu sammeln.

Anlass war jetzt gerade der Artikel "Siebenjähriger auf "No-Fly-List""
http://futurezone.orf.at/it/stories/209841/

Hier auch ein guter Artikel:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23625/1.html

Oder eine Liste von konkreten Beispielen:
http://www.daten-speicherung.de/wik...-irrt%C3%BCmern


Ähnlich wie beim Irak-Krieg, der mittlerweile ca. 70000 Menschenleben gefordert hat (ca. das 20fache des WTC-Terroranschlags), befürchte ich auch durch die "Antiterrormaßnahmen" weit mehr Probleme als durch den eigentlichen Terrorismus.

Wird eigentlich Zeit für einen Poll ... siehe nächsten Post. :)

><))))°>

Idle ...
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wer nichts zu verbergen hat...
...kennt wohl alle gesetzbücher auswendig.
...sollte hier doch mal seine telefonnummer veröffentlichen.
...

der grund warum vielen menschen egal ist ob sie überwacht werden, oder nicht, ist weil man überwachung nicht "spürt". Oft wird auch der vermeintliche Gewinn an sicherheit oder komfort höher bewertet als die privatsphäre.
zb: "ich hab lieber an jeder ecke eine kamera, als dass ich bei einem anschlag ums leben komme".

Ein weiteres problem ist der mangel an "präzedenzfällen". Noch nie in der Geschichte der Menscheit war es möglich menschen so umfangreich zu überwachen. Mir fallen gerade mal zwei beispiele ein. zum einen die Karlsbader Beschlüsse und zum anderen das dritte reich. allerdings könnte man gegen beide beispiele einwenden dass zu diesen zeiten ja generell keine noblen ziele verfolgt wurden. Überwachung wurde eingesetzt weil das regime (bzw die regierung) es so wollte, um an der macht zu bleiben und nicht um das volk zu schützen, geschweige denn, weil es das volk selbst wollte (so wie heute).
nicht zuletzt deshalb, driftet eine diskussion darüber warum überwachung etwas schlechtes ist, allzu oft ins philosophische ab.

Zum beispiel könnte man erklären, dass sicherheit nicht das oberste gut ist (welches mit überwachung sowieso nicht 100%ig erreicht werden kann). Freiheit sollten wir stattdessen anstreben. Freiheit bedeutet aber auch Verantwortung zu übernehmen und diese nicht abzugeben; zb an eine organisation, welche verspricht sich um unsere sicherheit zu kümmern.

Das bedeutet nicht dass man institutionen wie die polizei, oder geheimdienste gleich komplett abschaffen sollte. Wir sollten aber darauf achten dass wir ihnen nicht zu viele befugnisse einräumen. Das missbrauchspotetial darf nicht grösser sein als der nutzen. Denn missbrauch der befugnisse würde unsere freiheit wieder einschränken.

Da wären wir beim nächsten Problem, inwiefern wirkt sich der missbrauch der gesammelten daten denn negativ aus? wie kann man daten überhaupt missbrauchen, so dass es einem menschen wirklich schadet. Die Tatsache dass man auf einer "no fly" liste steht, obwohl man nie etwas böses getan hat, ist zwar unangenehm, aber nicht lebensbedrohlich. man könnte argumentieren, dass das ein notwendiges übel ist, welches man in kauf nehmen muss, wenn man nicht will, dass ein terrorist in das flugzeug kommt. Auch dass mittlerweile jeder supermarkt über kundenkarten, die gewohnheiten der menschen auswertet, ist auf den ersten blick nichts schlimmes. "immerhin bekomm ich rabatt". Problematisch wird es dann wenn man sich für einen job bewirbt (zb bei einem supermarkt). Der personalchef kann sich dann mal ganz schnell die daten darüber holen was man so eingekauft hat, und darüber rückschlüsse auf die gesundheitliche verfassung und das leben des bewerbers ziehen. vielleicht hat man sich ja in letzter zeit literatur über die kindeserziehung besorgt. hat der/die mitarbeiterIn vielleicht vor schwanger zu werden, oder in karenz zu gehen (je nach dem was biologisch möglich ist ;) )? Oder: Vor zwei jahren noch standen immer chips am speiseplan, danach 4 wochen nichts, und dann plötzlich gemüse und lauter gesunde sachen - war da vielleicht was mit dem herzen?

Das ist alles im bereich des möglichen, und schränkt die lebensplanung schon wesentlich mehr ein. Noch unangenehmer wird es wenn solche daten weiterverkauft, und/oder mit den daten anderer unternehmen, oder denen des staates verknüpft werden. Das ist aber zum glück (noch) illegal ... hmmm ... vielleicht sollte man das ja ändern, um noch mehr terroristen zu fangen? :eek:
Bearbeitet von ><))))°> am 25.07.2007, 00:06

Medice

Intensivlaie
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wie war das unlängst in .de?
Fahnung nach Kinderporno-Kunden und daher Anforderung von allen Kundendaten bei Kreditkartenbetreibern, die innerhalb von $zeitraum eine Buchung über $boesesumme vorgenommen haben.

Feine Sache, dass ich mal primär auf einer Verdächtigen Liste stehen könnte, nur weil mein Wurstbrot + Joghurt beim Billa eines Tages zufällig eine kritische Summe getroffen hat...

fatmike182

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ich seh in der Datenerfassung hauptsächlich ein Problem in der Vermerktung - das könnte aber imho verhindert werden, schließlich bekommt auch keine Versicherung meine ecard-Daten!

Aber prinzipiell bin ich schon der Meinung, dass der "wer nichts zu verbergen hat" Satz auf mich zutrifft. Mich stört es nicht, dass Kameras in den UBahnen installiert werden. Ich bezweifel, dass da oben die Stationsaufsicht einen von der Palme wedelt, wenns mich durch die Kamera beobachten o.ä. Wenn ich mich in die Personen reinversetzen müsst, die das Anschauen müssen wärs mir auch egal, wen man da anschaut, ob man wen kennt usw.! & der Profit, den der Fahrgast hat besteht darin, dass weniger Vandalismus stattfinden wird & das ist gut so!

Sicherlich ist das ein Eingriff in meine Privatsphäre, aber wenn man schon so paranoid ist, dürfte man das eigene Haus auch nicht mal verlassen

smashIt

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dem 1. postulat: wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten
halte ich das 2. postulat entgegen: bei einem unbescholtenen bürger gibt es auch nichts zu suchen

fatmike182

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dem halte ich entgegen:
wie identifizierst du den unbescholtenen Bürger?
(oder sind nun alle Rucksackträger in London nicht unbescholten?)

daisho

SHODAN
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In unserem Rechtsstaat ist (zum Glück) jeder ein unbescholtener Bürger solange nichts anderes bewiesen wird ;)
Suizidbomber sind grundsätzlich nicht aufzuhalten (es sei denn sie wurden schon beim Sprengstoffeinkauf bzw -bau erwischt), um soetwas effektiv verhindern zu können braucht man ja schon ein Polizeiregime und keiner darf mehr aus dem Haus...

><))))°>

Idle ...
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Zitat von fatmike182
ich seh in der Datenerfassung hauptsächlich ein Problem in der Vermerktung - das könnte aber imho verhindert werden, schließlich bekommt auch keine Versicherung meine ecard-Daten!

Aber prinzipiell bin ich schon der Meinung, dass der "wer nichts zu verbergen hat" Satz auf mich zutrifft. Mich stört es nicht, dass Kameras in den UBahnen installiert werden. Ich bezweifel, dass da oben die Stationsaufsicht einen von der Palme wedelt, wenns mich durch die Kamera beobachten o.ä. Wenn ich mich in die Personen reinversetzen müsst, die das Anschauen müssen wärs mir auch egal, wen man da anschaut, ob man wen kennt usw.! & der Profit, den der Fahrgast hat besteht darin, dass weniger Vandalismus stattfinden wird & das ist gut so!
solange die grundlegende rechtslage weitgehend gleich bleibt, und es das ziel bleibt die menschen zu schützen, geb ich dir durchaus recht. wenn es allerdings zur priorität wird menschen zu verfolgen (aufgrund bestimmter merkmale, wie hautfarbe, religion, usw) ändert sich meine meinung. Selbstverständlich ist das alles verwerflich, und illegal, aber wie schnell sich die rechtslage ändern kann sollte uns bekannt sein, und wer dazu ein bespiel as der gegenwart haben möchte:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25796/1.html <-- vorbereitung einer diktatur?
man stelle sich vor was möglich wäre, wenn ein totalitäres regime alle möglichkeiten zur überwachung nutzt, wie sie heute zur verfügung stehen. Wenn die infrastruktur zur überwachung erst mal da ist, wird es fast unmöglich, die nutzung nur auf bestimmte gebiete (terrorbekämpfung) einzuschränken.

Die missbrauchsmöglichkeiten sind aber da, und sie sind meiner meinug nach, grösser als der nutzen. (die Kofferbomben, die in deutschland auf den bahnsteigen platziert wurden, hätten ohne weiteres gezündet werden können, trotz video überwachung. london hat die meisten kameras in der stadt, und trotzdem wurden dort anschläge verübt.)
Zitat von fatmike182
Sicherlich ist das ein Eingriff in meine Privatsphäre, aber wenn man schon so paranoid ist, dürfte man das eigene Haus auch nicht mal verlassen
Und was wenn es zum gesetz wird, dass jeder sein haus mit kameras und mikrofonen ausstatten muss?
Bearbeitet von ><))))°> am 25.07.2007, 00:46

fatmike182

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Zitat von ><;))))°>
Und was wenn es zum gesetz wird, dass jeder sein haus mit kameras und mikrofonen ausstatten muss?

aufgrund von Gefahr im Verzug wäre das Verbrechendbekämpfung/Privatsphäre-verhältnis ziemlich schlecht & unnütz...

@ London:
dennoch konnten die Täter identifiziert werden & auf das Umfeld -> Täterprofil (naja, aber fast) geschlossen werden! Was es bringt, diese Bänder im öffentl. TV zu senden ist mir aber schleierhaft... Dadurch fühlen sich div. Gruppierungen sicherlich bekräftigt & bestätigt.

@ Missbrauchmöglichkeit:
USA-Anti-Terror ist einfach eine Totaleskalation, die einfach wirtschaftlich getrieben ist & andauernd mit Propagandamaterial & gefaktem Material (wieder hat CIA & FBI x*10^y Anschläge verhindert!!!111911911911911) arbeitet. Eigentlich wäre für sowas ja dann die UNO verantwortlich & müsste in dem fall eingreifen - sprich: es wäre also eigentlich geregelt, dass sowas illegal ist!

><))))°>

Idle ...
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Zitat von fatmike182
aufgrund von Gefahr im Verzug wäre das Verbrechendbekämpfung/Privatsphäre-verhältnis ziemlich schlecht & unnütz...
wie daisho richtig meint, wäre das aber die einzige möglichkeit selbstmordattentäter wirksam zu bekämpfen.
auf der anderen seite finde ich das "Verbrechensbekämpfung/Privatsphäre-verhältnis" ebenfalls sehr schlecht, wenn man kameras installiert (und damit die gesamte bahn fahrende bevölkerung überwacht) um vandalen abzuschrecken...

Zitat von fatmike182
@ London:
dennoch konnten die Täter identifiziert werden & auf das Umfeld -> Täterprofil (naja, aber fast) geschlossen werden!
der anschlag wurde jedenfalls nicht verhindert.

Zitat von fatmike182
@ Missbrauchmöglichkeit:
USA-Anti-Terror ist einfach eine Totaleskalation, die einfach wirtschaftlich getrieben ist & andauernd mit Propagandamaterial & gefaktem Material (wieder hat CIA & FBI x*10^y Anschläge verhindert!!!111911911911911) arbeitet. Eigentlich wäre für sowas ja dann die UNO verantwortlich & müsste in dem fall eingreifen - sprich: es wäre also eigentlich geregelt, dass sowas illegal ist!
meiner meinung nach, kann das aber überall passieren. und es wird gefährlicher je mehr möglichkeiten (insbesondere überwachungsmöglichkeiten) ein ausser kontrolle geratenes regime hat.

COLOSSUS

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Frickler
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http://www.heise.de/newsticker/fore...forum_id=121274

Lesenswerter heise-Kommentar, der meine Ansichten zu dieser andauernden Farce sehr gut auf den Punkt bringt.

Tosca

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Am 23C3 gabs einen tollen Vortrag von Christine Ketzer zum Thema Überwachung. Sie greift dabei auf das Konzept der Risikogesellschaft von Beck zurück. Sie lässt zwar die Dimension des sozialen Risikos mehr oder weniger aus, gibt aber dennoch einen guten Überblick über soziologische Deutungen des Themas.

Man könnte die durch die Terrorgefahr begründeten Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen vielleicht auch als Versuch der Staatsgewalt begreifen, ihr Legitimationsproblem zu lösen. Im wirtschaftlichen und sozialen Bereich müssen alle Nationalstaaten angesichts des neoliberalen Drucks "Federn lassen", also wenden sie sich verstärkt anderen Aufgaben zu -
der Abbau von wohlfahrtsstaatlichen Instrumenten zugunsten von "Sicherheitsdispositiven" ist ja ein bekanntes Phänomen.

Ein anderer Gedanke steckt imho auch noch hinter dem Ausbau dieser Strukturen: Der Versuch, soziale und politische Probleme mit technischen Mitteln lösen zu wollen. Ich wage aber zu behaupten, dass Kameras, Abhörgeräte, Trojaner und dergleichen das Terrorismusproblem nicht lösen werden.

Wenn das so weitergeht, findet man sich bald eingeklemmt zwischen terroristischer Gefahr (da kann man drüber streiten, wie gefährlich das wirklich ist...) und staatlicher Repression - keine angenehme Vorstellung.

Die neue staatliche Repression schaut auch ganz anders aus als früher. Es ist eine sehr komplexe und unterschwellige Art der Macht. Deshalb nehmen vielleicht auch viele Leute Überwachungsmaßnahmen gar nicht als unangenehm wahr.

edit:
auch gut: Artikel von Jean-Claude Paye in den Blättern: http://blaetter.de/artikel.php?pr=2393 (falls jemand ein Abo hat...)
Bearbeitet von Tosca am 31.07.2007, 14:52

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Hoffnungsloser Optimist
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Es geht auch ganz ohne Überwachung, unbeteiligten Leuten einen gehörigen Schreck einzujagen:

http://it.slashdot.org/article.pl?sid=07/10/17/197221

Die von bestimmten Regierungen geschürte allgemeine Terrorpanik erhöht die Lebensgefahr für derartige Opfer.

semteX

Risen from the banned
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nice SWATing ftw...

HaBa

Legend
Dr. Funkenstein
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Jaja, die müssen vermutlich den Zauberlehrling nicht auswendiglernen ..
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