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In Your Face Friday - Gepatchte Angst

karlstiefel 24.01.2014 7877 1
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UFOs, die NSA und Fußgängerampeln - es ist schon eine skurrile Mischung, was heute Panik auslösen kann. Dabei sieht man, wie symptomatisch für unsere Zeit die verschiedenen Zwischenfälle sein können. Was das mit dem Ende der klassischen Science Fiction zu tun hat und welche Angst heute salonfähig ist, lest ihr hier.

Bremen, Deutschland
7. Jänner 2014


Ein unbekanntes Flugobjekt wird über dem Bremer Flughafen gesichtet. Mehrmals erkennt das Radar ein nicht identifizierbares Fluggerät. Bestätigt wird die Sichtung von einem Polizeihubschrauber. Mehrere Passagiermaschinen dürfen nicht abheben. Kurz darauf verschwindet das Objekt vom Luftraum so plötzlich wie es zuvor aufgetaucht war. Die Behörden gehen von einer Drohne unbekannter Herkunft aus.


Wien, Österreich
15. Jänner 2014


Das Wiener Magistratsamt für Beleuchtung, Ampeln und Uhren (MA 33) erhält mehrere Beschwerden. Auf Fußgängerampeln sind vermehrt zylinderförmige Geräte zu sehen. Besorgte Bürger fragen, zu welchem Zweck die Kameras dienen. Spioniert die NSA bereits so offensichtlich? Haben wir bald ein CCTV-System wie in London? Das Magistratsamt beruhigt: Es handelt sich dabei um direktionale Lautsprecher für sehbehinderte Menschen und nicht um - wie vermutet - Kameras.


Zwei Zwischenfälle aus den vergangenen Wochen, die einen gemeinsamen Nenner haben: uns vertraute Technologie. Es klingt wie aus einer Science Fiction Geschichte, wenn unbemannte Flugobjekte und digitale Spionagenetzwerke Unruhe bei der Zivilbevölkerung auslösen. Es handelt sich jedoch um die Realität der Gegenwart. Viel mehr noch: Unser Alltag hat die Science Fiction teils sogar überholt, abgelöst und ersetzt. Damit einher gehen auch die Probleme und Ängste, welche einst noch als utopische oder dystopische Szenarien abgetan wurden. Den konkreten Zeitgeist merkt man erst, wenn man die Reaktionen zu den beiden Geschichten in einen Kontext stellt. Früher™ - sagen wir, vor 20 Jahren - hätten die Schlagzeilen wahrscheinlich anders ausgesehen. Die Drohne wäre ein UFO gewesen, die “Kameras” hätten dem Bürger bei Überqueren der Straße geholfen und ihn nicht ausspioniert. Diese Zeiten sind jedoch vorbei, es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden.

UFOs! Fußgängerübergänge für Blinde! Habt ihr schon Angst?

In den vergangenen 20 Jahren ist unsere Welt kleiner geworden. Also nicht physikalisch, wir sitzen noch immer auf diesem Felsbrocken fest, der um einen fusionierenden Gasball kreist. Die weite Verbreitung von digitalen Medien, der Ausbau der für Internet notwendigen Struktur und die Leistbarkeit von dazu passenden Geräten hat uns auf eine neue Art und Weise verbunden. Ich kann mit Leuten in Australien via Skype sprechen, habe dank Google und Wikipedia eine Erklärung quasi eh alles und kann mit der dadurch gewonnenen Zeit Bilder von süßen Katzen ansehen. Das Ferne ist nahe gerückt, das Fremde alltäglich geworden. Damit ändern sich auch die gängigen Feindbilder. Da jeder Handybesitzer eine brauchbare Kamera im Gerät hat und die Anzahl der UFO-Bilder in den letzten Jahren nicht massiv zugenommen hat, sehen wir im Gegensatz zu den 90ern eben Drohnen und keine fliegenden Untertassen am Himmel. Ohne den NSA-Skandal hätte die MA 33 wahrscheinlich weniger zu tun. Während uns durch die Angst vor dem Fremden genommen wurde, haben wir nun Angst vor dem Bekannten. Klassische Feindbilder wie fremdartige Aliens verlieren auch entsprechend an Zugkraft. Die Klingonen von Star Trek waren beispielsweise eine Analogie für “den Feind” der westlichen Welt: die Russen. Heute, ohne den eisernen Vorhang und die Sowjetunion zieht ein solcher Stellvertreter halt nicht. Wir haben ein anderes Bild von Russland und seinen Einwohnern, kriegen Bilder von Pussy Riot und Roofern mit. Was einst unendlich weit entfernt schien, ist heute nur ein paar Klicks entfernt. Was nicht auf ein Smartphone-Bildschirm gepasst hat - davor hatten wir Angst. Heute gibt es genug Dinge auf und hinter diesem Bildschirm, die uns erschaudern lassen.
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So sahen früher die Klingonen aus. Zum fürchten? Nicht wirklich ...
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