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In Your Face Friday - Nix für die Kleinen

karlstiefel 30.10.2015 18992 7
Opern, Free-Jazz und Steuererklärungen - Unterhaltung für Erwachsene kann so toll sein. Aber was ist das? Eine Comicserie? Kinderkram! Oder etwa doch nicht? Spätestens seit den Simpsons ist bewiesen, dass animierte Serien auch für ältere Semester gedacht sein können. Schauen wir uns also an, welche Juwelen aktuell den Comic-Freund mit Niveau beglücken können. Außerdem ist immer Ernst sein auch nicht das Wahre.

Da gibt es diesen einen Typen, den ich viel zu oft zitiere. Der hieß Marshall McLuhan, war Kanadier und man kennt ihn vielleicht weil er "Das Medium ist die Botschaft" gesagt hat. Wer schon einmal stille Post gespielt hat weiß aber zwei Dinge: nicht neben Leute, die beim Reden spucken setzen und Botschaften können falsch ankommen. Das Medium selbst ist dabei nämlich die Verschlüsselung eines austauschbaren Inhaltes. Wenn der für einen trivial ist, bemerkt man nur die Form der Präsentation. Genau hier können persönliche Vorurteile für einen Knick in der medialen Wahrnehmung sorgen. Denn Musik auf Schallplatten hören nur Hipster, E-Reader sind nichts für echte Leseratten mit einer Vorliebe für das Knistern von Papier und - um endlich zum Thema zu kommen - Comics sind für Kinder. Genauer soll es um Comicserien gehen, Comicbücher bzw Serien und Grapic Novels lassen wir vorerst weg, das ist ein Thema für einen eigenen IYFF. Die Flimmerkiste war für meine Kindheit prägend, besonders das Samstagvormittag-Programm. Während ich mit den Serien von Disney und Co. aufgewachsen bin, konnte ich (eher im Nachhinein) einen Effekt bei meinen Eltern erkennen: Für sie waren Comics Kinderkram. Verständlich, schließlich waren die von mir damals geschauten Serien auch für Kinder gemacht. Selbst, als die Simpsons Anfang der 90er den "American Way of Life" aufs Korn genommen haben, war das etwas für Kinder. Das Schöne an der Geschichte: Meine Eltern haben absolut unrecht. Darum möchte ich drei Serien vorstellen, bei denen Leute mit der gleichen Einstellung definitiv etwas verpassen.

Rick and Morty
Kennt ihr noch die Simpsons-Szene, wo die Macher von Itchy und Scratchy ihre Show neu ausrichten wollen? Sie fragen die Kinder, ob es mehr um fantastische Abenteuer mit Raumschiffen und Magie gehen soll oder ob die Zuschauer mehr bodenständige und ins echte Leben ummünzbare Themen bevorzugen. Die Kinder wollen beides, Ralph beklagt sich, dass der Knopf von seiner Fernsteuerung komisch schmeckt. Rick and Morty schafft diesen Spagat, der Knopf schmeckt aber immer noch komisch. Ein verrückter und selten nüchterner Wissenschaftler (Rick) erlebt mit seinem Enkel (Morty) abgedrehte Geschichten, während sie durch das Universum, die Realitäten und sogar in den Vergnügungspark in den Organen eines Obdachlosen reisen. Die Produzenten Justin Roiland und Dan Harmon (der auch Community gemacht hat) schafft es, die Geschichten dennoch nicht zu reiner Absurdität verkommen zu lassen. Im Mittelpunkt stehen immer die Verhältnisse der Charaktere zueinander. Die Familienmutter, die immer mehr wollte, der erfolglose Vater und die Teenager-Tochter, die schwer am pubertieren ist sind genauso wichtig wie die vielen Ricks aus Parallelwelten, die sich gegenseitig töten möchten um eine Realität zu schaffen. Mit Rick and Morty wurde ein Stück Erwachsenenunterhaltung geschaffen, das nicht davor zurückschreckt, dem Zuschauer einen Schlag in die Magengrube zu geben. Absurd, ernst, herzlich - eine Komödie und eine Tragödie in einem.

Ethik ist irrelevant, wenn man ohne sie Raumschiffe haben kann.

Welcome to Gravity Falls
Okay, die Hauptfiguren Dipper und Mabel sind zwölf Jahre alt - und trotzdem dienen sie auch als Identifikationsfiguren für erwachsene Zuschauer. Könnt ihr euch noch erinnern, als in diesem Alter die Sommer quasi ewig dauerten und hinter jeder Ecke ein Abenteuer gewartet hat? Dieses Gefühl fängt Welcome to Gravity Falls ein. Bloß sind hier die besagten Abenteuer nicht nur auf Spielplätzen, in unserer Fantasie und in SNES-Cardridges. In dem kleinen Örtchen Gravity Falls, Oregon kommen nämlich alle Abnormitäten der Welt zusammen: Gnome, Außerirdische, Geister und vieles mehr. Davon profitiert der misathrope und gierige Stan, seines Zeichens Großonkel von Dipper und Mabel und Besitzer der "Mistery Shack", einem eher schäbigen Kuriositäten-Kabinett. Während die Kiddies den selbst zusammengewürfelten Wolperdinger abstauben müssen, geht es in ihrer Freizeit nach draußen, wo sie die oft nicht ungefährlichen Absonderheiten der Gegend erkunden. Nicht alle davon sind übernatürlich , manchmal ist der Schrecken von allzu menschlicher Natur. Zum Glück hat Dipper ein Buch gefunden, dessen Inhalt über die übernatürlichen Dinge aufklärt, dessen Hand mit sechs Fingern und der Zahl "3" auf dem Cover jedoch weiter Fragen aufwirft. Produzent und "Dipper"-Sprecher Alex Hirsch hat eine wundervolle Welt geschaffen, die mit abwechslungsreichen Ideen, herzlichen Geschichten und einer erfreulichen Kontinuität besticht. Der Stimmung zuträglich ist, dass nicht alles gleich verraten wird: verschlüsselte Botschaften, rückwärts abgespielte Wortfetzen im Intro und Anspielungen lassen die Zuschauer rätseln. Es ist fast so, als hätten Akte X und die Goonies sich zusammengetan.

Eine kindliche Aufbruchstimmung sorgt für den angenehmen Retro-Flair.

Regular Show
Zwei Looser Anfang 20 namens Mordecai und Rigby arbeiten als "Hausmeister" in einem Park. Der eine ist ein Vogel, der andere ein Waschbär und ihr Chef ist ein Kaugummiautomat. Zu ihren Mitarbeitern gehören ein unsterblicher Yeti, ein Typ mit einem riesen Kopf, ein schwabbliger Choleriker namens "Muscleman" und der "High-Five-Ghost". Die Looser und besten Freunde versuchen natürlich immer ihre Arbeit zu vermeiden, stattdessen Videospiele zu zocken und endlich eine Freundin zu kriegen. Diese Vorhaben gehen stets phänomenal schief: Beim Streit um eine gefundene Couch wollen sie es beispielsweise wie Männer Regeln, mit Schere, Stein, Papier. Als sie aber 100 Mal nacheinander ein Patt haben, beschwören sie so einen Dämon, der sie um ihr Leben spielen lässt. Typischer Arbeitstag für Mordecai und Rigby. Ja, Regular Show ist bizarr aber dafür überraschend bodenständig. Vielleicht ist manchem Zuschauer die beinahe Scoobeydoo-artige Inszenierung (es ist jedes Mal etwas Übernatürliches beteiligt) zu vorhersehbar, ein witziges Gimmick ist dieser Aspekt aber allemal. Gemacht wird die Regular Show von J. G. Quintel, der auch an Adventure Time beteiligt war. Er schafft es, zwei extrem sympathische und vor Allem tiefgründige Slacker in einer seltsamen Welt zu platzieren, ohne es unpassend werden zu lassen. Auch hier gilt: Wer nicht mit einem flauen Gefühl in der Magengegend umgehen kann, sollte die ein oder andere Folge auslassen.

OOOOOOOOHHHHHHHHHH!!!!

Alle drei Serien haben nicht nur die Zielgruppe, nämlich junge Erwachsene, gemeinsam, auch die Beteiligung der Produzenten ist jeweils enorm. Morty, Dipper und Mordecai werden nämlich jeweils von ihrem Produzenten gesprochen. Gewissermaßen haben wir es in dreierlei Ausführung mit teilweise autobiographischen Werken zu tun - wenn auch nur entfernt. Das Herzblut, welches seitens der Macher in die Serien investiert wurde merkt man als Zuschauer. Detailverliebtheit, ein wunderbar schräger Humor und Charaktere, die man einfach mögen muss machen Rick and Morty, Welcome to Gravity Falls und die Regular Show zu drei meiner persönlichen Lieblingsserien der vergangenen Jahre. Vielleicht habt ihr ja eine davon noch nicht gekannt - für alle genannten Produktionen gibt es meinerseits eine Nachhol-Empfehlung in diesem Fall. Bleibt jung im Herzen und nehmt das mit dem Erwachsen werden nicht allzu ernst. Das Leben ist viel schöner, wenn man lacht.

Jetzt seid ihr gefragt: Habt ihr eine Lieblings-Comicserie, die mehr Aufmerksamkeit verdient hat? Und wo findet sich ein "erwachsener" Unterton in Serien, die auf den ersten Blick wie für Kinder gemacht aussehen?
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