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Christopher Nolans Inception

karlstiefel 07.06.2011 26676 31
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Mit Inception hat Christopher Nolan einen einzigartigen Film gedreht. Und genau wie in dieser fiktiven Welt der Traumdiebe, wurde eine einfache Idee zu etwas Größerem. Fast ein Jahrzehnt Planung war notwendig, um aus einer Vision Realität zu machen. Wir nehmen das Meisterwerk genau unter die Lupe, denn es versteckt eine Fülle von Details, die dem normalen Zuseher verwehrt bleiben. Neugierig geworden?

Der lange Weg zum Film



Ich möchte eines klar stellen: Das hier ist kein Review. Inception lief bereits letztes Jahr über die Kinoleinwände und ihr werdet ihn ja ohnehin bereits gesehen haben. Sollte das nicht der Fall sein, schaut ihn euch jetzt - sofort - und hier und auf der Stelle an, ihr werdet es auf jeden Fall nicht bereuen! Nein, mit diesem Special wollen wir eher hinter die komplexe Fassade des Meisterwerks von Christopher Nolan schauen und das eine oder andere Geheimnis lüften. Die Arbeiten an Inception haben auch lange genug gedauert – schließlich schrieb Nolan über acht Jahre lang an dem Projekt. Bereits nach seinem ersten großen Film Insomnia (2002) präsentierte er die Grundidee den Warner Bros. Studios. Statt nur einem weiteren Auftrag sollte dieser Film sein ganz persönliches Meisterstück werden. Er nahm sich Zeit und fügte immer wieder Ideen hinzu. Nach jedem Film, den er drehte, verfeinerte er das Drehbuch, bis alles für ihn perfekt war. Diese Arbeit war in der fertigen Produktion auch spürbar. Idee, Umsetzung und Details waren einzigartig und außergewöhnlich. Mit der Hilfe von Freunden wie dem Komponisten Hans Zimmer oder dem Schauspieler Cillian Murphy wurde schließlich aus einer Idee ein Meisterwerk.

Christopher Nolan am Set von Inception
Christopher Nolan (links, mit Kaffee in der Hand) am Set von Inception


Hans Zimmer durfte bereits bei Batman Begins (2005) und The Dark Knight (2008) mit Nolan zusammenarbeiten und waren dementsprechend schon ein eingespieltes Team. Dadurch entstand allerdings nicht nur ein beeindruckender und perfekt untermalender Soundtrack, sondern die Musik wurde zu einem Teil der Story. Zum Beispiel wird als Warnung, dass die Narkose bald ausläuft, von den Traum-Dieben das Chanson-Lied "Non, je ne regrette rien" von Édith Piaf verwendet. Dass Marion Cotillard (die im Film die Ehefrau Mal spielt) eben diese Sängerin in La vie en rose (2007) gespielt hat, ist kein Zufall.

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Links die Sängerin Édith Piaf, rechts dargestellt von Marion Cotillard - im Film als "Mal".


Genauso wenig ist die Auswahl der Instrumente bei einigen Titeln des Soundtracks zufällig: Die donnernden Hörner erhalten ihre Wucht durch den langsamen Rhythmus. Verlangsamt man allerdings das Lied von Édith Piaf, erhält man genau denselben Sound-Effekt. Bei der Einschulung der neuen Traum-Architektin wird erklärt, dass man Zeit beim Träumen langsamer wahrnimmt. Ergo: Während wir im Kino sitzen, wird uns durch die Musik mitgegeben, dass wir träumen und bald aufwachen müssen.

DUUN DUUUUUN!


Zufall ausgeschlossen



Cobb (gespielt von Leonardo DiCaprio) hat ja einen etwas seltsamen Nachnamen und einen noch außergewöhnlicheren Vornamen: Dom. Wenn man sich die Namen seiner Mitstreiter, seiner verschiedenen Gattin und der verstrittenen Energie-Mogule ansieht wird einem jedoch einiges klar. Da gibt es Dom, den Chef der Aktion, Robert, als Robert Fisher aka das Opfer, Arthur und Ariadne, als die Traum-Architekten, Mal - der Schatten einer verlorenen Liebe - und Saito, der Auftraggeber des Heist. Kombiniert man die Anfangsbuchstaben der Namen, erhält man ganz "zufällig" DREAMS – Träume.

Ein frühes Script des Filmes konnte man eher dem Horror-Genre zuordnen. Bereits vor 2001 hatte Nolan ein 80 Seiten langes Treatment (eine weiter ausgeführte Idee, die als Grundlage für das Drehbuch dient). Als Inspiration dienten The Matrix (1999), Dark City (1998), The 13th Floor (1999) und in weiterer Folge der Anime Paprika (2006). Einen Aspekt der Geschichte behandelte der Regisseur bereits in Memento (2001): Die Frage, was die Wahrheit ist. Alle angeführten Titel beschäftigen sich auf ihre Art mit alternativen Realitäten. Im Laufe der Entwicklung entschloss sich Nolan allerdings gegen einen Horror-Film – die Begründung dafür ist auch in Inception zu finden. Beim Erstellen des Plans erklärt Cobb, dass positive Gefühle negative Emotionen übertrumpfen. Statt Angst und Hass wollen sie ihrem Opfer das Gefühl von Freiheit und Liebe vermitteln. Der Begriff Katharsis wird genannt – das Überwinden einer Angst durch das Durchleben dieser. Diesen Katalysator wollen die Diebe verwenden, um Robert Fisher sich selbst eine Idee geben zu lassen.

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Alternative Realitäten waren immer schon Nolans Spezialgebiet. Inception bietet das sogar hoch 3!


Praktisch vorgegeben ist auch die Berufswahl von Cobb. Als Architekt weiß er, wie man komplexe und detailreiche Gebäude entwirft. Diese Fähigkeit nutzt er nicht für Blaupausen, sondern um die verschachtelten Träume zu konstruieren – zumindest solange bis seine Frau Mal seine Gedanken dominiert. Ebenfalls Architekt und zwar im wirklichen Leben ist der Hauptdarsteller von Nolans Film Following (1998). Alex Haw heißt der Schauspieler, im Film trägt er jedoch einen bekannten Namen: Cobb. Wie der Regisseur zugab, war diese Figur in Verbindung mit der Idee, Träume als Architekt erstellen zu können, die Namensvorlage für Leonardo DiCaprio's Rolle.

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Alex Haw und eines seiner Designs.


Der Wert der Realität



Totems sind ein wichtiger Teil - sowohl in der Geschichte, als auch in der Ausrüstung der Agenten. Arthur hat seinen gezinkten Würfel, Ariadne graviert sich eine Schachfigur und Cobb hat den ikonischen Kreisel. Obwohl ... ist das wirklich sein Totem? Schließlich erfahren wir aus der Hintergrundgeschichte, dass der Kreisel einst einmal seiner geliebten Mal gehört hatte. Erst als ihr Ehemann ihn manipulierte, wurde ihr die Idee eingepflanzt, dass ihre Realität nur ein Traum ist. Als sich dieses Konzept in ihrem Verstand verbreitete, stürzte sie sich aus dem Fenster eines Hochhauses. Der Fehler, den sie beging, war fatal: Jemand außer ihr selbst wusste um die Beschaffenheit des Totems und manipulierte diesen. Cobb ging seither professioneller vor und verriet seinen wahren Realitätsanker deshalb nicht einmal mehr dem Zuschauer. Denn nur wer ganz genau hinschaut, wird erkennen, dass Cobb's Ehering das wahre Totem ist. Seine Frau ist in Wirklichkeit tot, nur in seinen Träumen ist sie noch lebendig. Daher erlebt er sämtliche Traumsequenzen mit einem Ring an der Hand, während er ihn in der realen Welt längst abgelegt hat. Der Kreisel ist nur ein verzweifelter Versuch, aus dem Fehler seiner Geliebten zu lernen. Somit lässt sich auch am Ende bestimmen, ob er sich die Rückkehr zu seinen Kindern nur erträumt oder ob sie wirklich passiert – beim letzten Mal, als er den Kreisel dreht, trägt er nämlich keinen Ring. Der einzige Grund, warum nicht gezeigt wird, ob der Kreisel fällt oder nicht: Es ist Cobb ohnehin egal, in welcher Welt er sich befindet.

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Der Ring ist zwar im Traum zu sehen, doch ist er in der Realität verschwunden.


In Sachen Besetzung war Nolan auch sehr clever. Schließlich wurden mehrere Nebenrollen mit seiner Verwandtschaft besetzt. Sein jüngerer Bruder Jonathan Nolan schrieb zwar bei allen großen Produktionen bisher mit, doch bei Inception war er nicht beteiligt. Dafür war Magnus, sein jüngster Sohn als Sohn von Cobb mehrfach zu sehen. Auch die Cousine von Nolan namens Miranda war kurz dabei: Sie war die Stewardess, die dem Team den Koffer mit der Traummaschine überreicht hat. Es fehlte also nur noch ein Buffet am Set, dann wäre das Familientreffen des Nolan-Clans auch offiziell gewesen.

Mehr als nur Effekte



Ohne Special Effects wäre Inception kaum vorstellbar. Ein Element, das mehrfach vorkommt, ist die unendliche Treppe, die trotz ihrer Steigung wieder in sich selbst endet. Dieses Stück unmögliche Architektur wird in den Träumen verwendet, um die Scheinwelt klein zu halten, aber doch möglichst groß wirken zu lassen. Je größer die konstruierte Traumwelt nämlich wird, umso instabiler ist sie. Gestaltet man einen Traum zu aufwendig, kollabiert er und die Träumer wachen auf. Konstrukte wie die Treppe werden also verwendet, um den Raum zu komprimieren. Vorbild für diese abstrakte Architektur war M.C. Escher, ein niederländischer Künstler, der derart unmögliche Dinge bereits mit optischen Tricks dargestellt hat. Auch hier ist wieder ein Hinweis im Film versteckt: Der Vater des Energie-Magnaten Robert Fisher heißt mit Vornamen Maurice und ist somit ein Namensfetter von Escher. Dessen ganzer Name lautet nämlich "Maurits Cornelis Escher", also die niederländische Schreibweise von Maurice. Fisher, so Nolan über die Benennung der Figuren, ist eine Anspielung auf den 2008 verstorbenen Schachspieler Robert James Fischer. Dieser war zwar ein genialer Spieler und 1972 sogar Weltmeister, doch war er für seinen Antisemitismus und Antiamerikanismus bekannt. Dabei war er selbst jüdischer Herkunft und in Chicago geboren. Eine Namensgleichheit im Film sollte auf diesen vorbildlich zerrissenen Charakter hinweisen.

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Die Namenspatronen wurden sorgfältig ausgewählt: Links eine Zeichnung von Escher, rechts der zerrissene Schachspieler Robert Fischer.


Nach all diesen Hinweisen, Interpretationen und offenen Geheimnissen hoffen wir, dass wir euch Inception noch ein Stückchen näher bringen konnten und es euch mit diesem Wissen noch einmal anschaut. Lasst euch nicht von den Effekten blenden und achtet nicht auf die Story, die ihr ohnehin schon kennt. Gebt euch lieber den Details hin und schaut euch die Szenen genauer an. Ihr werdet Anspielungen, Zusammenhänge und Referenzen finden, die dieses Stück Filmgeschichte zu dem machen, was es ist: Etwas ganz Besonderes. Fernab vom Effekt-Kino, das nur eine Attraktion nach der anderen bietet, erzeugt Inception endlich Tiefgang mit den CGI-Effekten. Taucht ein in die Traumwelt, wo alles möglich ist.

Inception ist als DVD oder Blu-ray erhältlich und ein absoluter Pflicht-Film. Wenn euch das noch nicht genug ist, holt euch die Special Edition im stilvollen Metallkoffer.
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