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In your Face Friday - Von Handgurken und Nyan-Katzen

karlstiefel 14.10.2011 15431 15
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Wir verfügen über eine bisher unerreichte Kommunikations-Technologie, die fast schon selbstverständlich für viele Nutzer erscheint. Zieht alle Smartphones für einen Tag ein, lehnt euch zurück und beobachtet, wie die Leute in Kürze verzweifeln. Heute schauen wir ein Jahrzehnt in die Vergangenheit, um zu sehen, von wo wir gekommen sind.

Mehr als zehn Jahre ist es jetzt her, da änderte ein Tag die Welt. Der 11. September 2001 ging mit den Terror-Anschlägen in New York in die Geschichte ein. Ein Jahrzehnt ist vergangen, die Drahtzieher gefasst oder getötet, Ground Zero nach wie vor eine Baustelle und unsere Welt hat sich gewandelt – die Geschehnisse dieses denkwürdigen Tages waren hierfür ein Katalysator. Ich werde jetzt nicht über Kriege oder Flugsicherheit sinnieren, sondern über die Kommunikationsstrukturen, die sich seither aufgetan haben. Persönlich habe ich eine ganz besondere Erinnerung: NBC Giga. Das war damals eine Sendung rund um den Internet-Lifestyle, welche allerdings auch Sport oder Klatsch und Tratsch behandelte, verbunden durch eine Website – damals ein revolutionäres Konzept. Aus Respekt an die Opfer der Anschläge wurde der Sendebetrieb vorübergehend eingestellt, auf der Seite gab es ein Kondolenzbuch, dessen Einträge anschließend zu ruhiger Musik gesendet wurden. Kurz darauf sammelte sich die Redaktion mitsamt den Moderatoren wieder und ein modifiziertes Programm wurde gezeigt – der News-Bereich von Giga wurde geboren. Die neuesten Informationen wurden verständlich erklärt, Nutzer konnten online Fragen stellen und sich untereinander in den Foren unterhalten. Selbst als in den folgenden Wochen der Normalbetrieb wieder aufgenommen wurde, die News-Ecke blieb. Die Community wollte gefilterte Infos, über die sie sich austauschen konnte.

Giga-Logo
Ich vermisse es ...


In diesem Zeitraum startete auch ein anderes Projekt, das den Wissenserwerb grundlegend verändern sollte. Die Rede ist von Wikipedia. Am 15. Jänner 2001 gegründet, folgte sie dem Nupedia-Projekt aus dem Vorjahr. Die Idee, eine dynamische Enzyklopädie rund um eine Community zu erstellen, wurde zum vollen Erfolg. Über 260 Sprachen sind mittlerweile vertreten, darunter auch Latein, Bayrisch oder Klingonisch. Bei großen Geschehnissen werden von einer offenen Gruppe Artikel erstellt, editiert und verbessert. Strukturiertes Wissen wird in Echtzeit generiert und jeder kann mitmachen. Indem nicht der Anspruch einer exklusiven Enzyklopädie gestellt wird, fallen auch viele Begrenzungen weg. Statt einer gedruckten Seite braucht ein Artikel nur noch ein wenig Platz auf einem Server – die Datendichte ist also ungleich höher. Dadurch können auch Themen ausführlich behandelt werden, die in einem herkömmlichen Nachschlagewerk einfach zu komplex und/oder platzintensiv wären. Hinzu kommt die Vernetzung des vorhandenen Wissens. Im klassischen Regaldekor namens Brockhaus ist eine alphabetisch geordnete Reihenfolge vorhanden, die sich über mehrere Bände verteilen muss. Das ist praktisch, wenn man etwas sucht, aber blöd wenn man in Fachgebieten schmökern möchte. Da die Suche in Wikipedia sich nicht mit solchen Kleinigkeiten herumplagen muss, entfällt die starre Struktur dahinter. Mit Hyperlinks auf andere Artikel und Verweise innerhalb einer Seite kann das Lesen beliebig weitergeführt werden.

Und wo wir gerade dabei sind, gleich ein kleines Experiment zu diesem Thema für euch: Wählt einen beliebigen Wikipedia-Artikel aus. Irgendeinen. Nein echt jetzt, geht auf Wikipedia und sucht einen willkürlichen Artikel heraus. Habt ihr einen? Gut, dann klickt immer auf den ersten Link, der keine Übersetzung eines Begriffes ist. Macht ihr das lange genug, landet ihr IMMER auf dem Artikel über Philosophie. Probiert es ruhig aus!

Wikipedia und ihr philosophischer Ansatz
Alle Wege führen nach ... jop, Philosophie!


„Früher“ (höre ich mich alt an?) hörten die Leute ausschließlich Musik. Heutzutage hört man hingegen Klingeltöne und YouTube. Womit wir schon beim nächsten Highlight wären. Nein, nicht das Handy-Gebimmel, sondern das Videoportal Youtube. 2005 gegründet, gehört es mittlerweile Google, die damit sogar Gewinn machen. Was sich auf dieser Plattform entwickelt hat, ist eine ganze „Film-Kultur“. Jedem ist es möglich, gleichzeitig Sender und Empfänger zu sein, während man mit den Zuschauern in Kontakt steht. Zwar gibt es nichts Dümmeres auf der Welt als YouTube-Kommentare, doch das ist ein anderes Kapitel. Okay, Okay ... vielleicht kommen einige österreichische Tageszeitungen/öffentliche Rundfunkanstalten da noch ran, aber das ist jetzt wirklich eine andere Geschichte! Wie auch immer, es gibt neben der etwas fragwürdigen Community auch wirklich gute Inhalte, wenn man sie denn findet. Anleitungs-Videos, so gut wie jedes Musikvideo (in meist grausamer Qualität), Kurzfilme und Nyan-Katzen inklusive. Was haben wir jemals ohne diese Seite gemacht?

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Nyan nyan nyan nyan nyan nyan nyan nyan nyan nyan nyan ...


Das sind nur drei Beispiele gewesen, wie sich unsere Informationsgesellschaft in den letzten 10 Jahren geändert hat. Wurde diese technische und soziale Entwicklung von den Anschlägen vom 11. September ausgelöst? Nein. Aber viel mehr war dieser denkwürdige Tag eine Möglichkeit für zahlreiche Medien zu beweisen, dass sie im 21. Jahrhundert angekommen waren. Nicht alle davon haben es geschafft (oder wollten es schaffen), doch im Internet fand man eine passende Infrastruktur für die Bedürfnisse unserer Wissensgesellschaft. Wo wir auch wieder bei den Smartphones wären: Mithilfe dieser kleinen Handgurken haben wir das gesammelte Wissen - und den dazugehörigen Schwachsinn - der Welt quasi wortwörtlich in unserer Hosentasche. Deshalb haben sich diese Plattformen mehr als etabliert, denn je – sie sind Teil unseres Lebens geworden.
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