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In Your Face Friday - Feindliche Übernahme

karlstiefel 07.03.2014 19592 17
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Facebook kauft WhatsApp, Microsoft kauft Skype und Google kauft YouTube. Im Technologie-Business kommt es nicht selten vor, dass ein großer Konzern die Konkurrenz schluckt, wenn sie ein besseres Angebot hat. Wie die Folgen von einem Firmen-Transplantat aussehen, schauen wir uns an.

Für stolze 19 Milliarden Dollar hat der Messenger-Service WhatsApp vor kuzrem den Besitzer gewechselt. Das ist viel Geld. Dieser Riesen-Deal hat bereits große Kreise gezogen. Da gibt es natürlich Leute die sich über den Wechsel aufregen … auf Facebook selbstverständlich. Mit einem gewissen Benutzerschwund muss die SMS-Alternative nun rechnen. Vernachlässigbar, hat der Service doch die Daten von 450 Millionen Nutzern. Gut, eine gewisse Überschneidung mit existierenden Facebook-Nutzern wird vorhanden sein und die eine oder andere Millionen wird unter der neuen Führung die App deinstallieren - laut einer Studie benutzen in Deutschland jedoch 70% der Nutzer das Programm täglich. Facebook hat somit nicht nur eine App gekauft, sondern deren gesamten Nutzerstamm.
Dass der Social-Media-Titan nicht nur mit "Like"-Buttons Geld machen kann war ja bereits lange klar - Zuckerberg und Kumpanen müssen ihr Angebot ausbauen. Da sind selbst Investitionen in solch wahnwitzigen Höhen ihrerseits gerechtfertigt. Im Zuge ihrer Einkaufstour hat Facebook ja bereits die Foto-Dienst Instragram für eine schlappe Milliarde erworben. Aber das wissen wir ja bereits. Einen wirklichen Aufwärts-Trend gab es nach dem Erwerb nicht wirklich. Ganz im Gegenteil: Mittlerweile sind Services wie Snapchat auf dem Markt, welche andere Ansätze verfolgen und mit Unabhängigkeit werben. Noch.

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Laut dieser Verbildlichung hat Facebook WhatsApp für 16 Sofas gekauft.

Neu ist das Ganze ja nicht. 2006 hat Google YouTube für 1,6 Milliarden Dollar übernommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Google jedoch selbst ein Videoportal, Google Videos. Bis zu dessen Einstellung im Jahr 2012 - lange 6 Jahre also - liefen die beiden Services parallel. Statt YouTube zu assimilieren und in das Google-Kollektiv einzubetten, wurde das eigene Produkt angepasst. So fand man auf Google Videos Filmchen von YouTube. Nach der Einstellung der Seite wurden die restlichen Videos einfach auf YouTube hochgeladen. Heute schreibt das Videoportal schwarze Zahlen. Vor der Übernahme waren es "nur" 15 Millionen, für 2013 wird der Profit auf 5,6 Milliarden Dollar geschätzt. Da zahlt es sich ja richtig aus, auf den Whatsapp-Konkurrenten Theema zu sparen. Der wird nämlich als das nächste große Ding angepriesen. In Geek-Kreisen wird die Kommunikations-App mit hohen Sicherheits-Standards als einzig relevante Alternative zu dem Facebook-Neuzugang gewertet. Die Realität sieht leider anders aus: Welche App erfolgreich ist, entscheidet in den seltensten Fällen die Verschlüsselung, sondern meistens die Jaqueline aus der Parallelklasse.
Bei einer Umfrage zum Thema "WhatsApp-Alternative" wurde auch oft Skype genannt - eine Themenverfehlung. Zwar soll WhatsApp noch dieses Jahr mit einer Anruf-Funktion nachgerüstet werden, die beiden Programme bedienen jedoch unterschiedliche Anwendungsszenarien. Eine ähnliche Geschichte haben sie jedoch. Für lediglich 8,5 Milliarden wurde die gleichnamige Firma hinter dem VoIP-Programm von Microsoft gekauft. Seit dem Erwerb (2011) wurde das Konkurrenzprodukt MSN/Windows Live Messenger immer unbedeutender, bis die damit verbundenen Accounts nur ein knappes Jahr später auf Skype-Konten umgemünzt wurden. Auch hier war die gekaufte Alternative einfach das beliebtere Produkt.

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Moment mal ... ICQ gibt es noch UND es gibt Smartphone-Apps?

Einen Fall dieser Art muss ich hier noch aus Nostalgie-Grünen nennen: ICQ. Für mich persönlich ein richtiger Klassiker der Chat-Programme. Vor langer Zeit - nämlich 1996, das sind in Internet-Zeit gute 1.000 Jahre - wurde ICQ von einem israelischen Start-Up namens Mirabilis ins Leben gerufen. Der damalige Internet-Riese AOL kaufte die Firma für das Schnäppchen von 407 Millionen Dollar. Nach 12 Jahren mit Hochs, Tiefs und vielen Gerüchten um ein kostenpflichtiges ICQ (außer man teilt die Nachricht mit 5 Freunden) ging der Messaging-Großvater für 188 Millionen an das russische Unternehmen Mail.ru. Dessen Chefs haben ihre Finger auch in Gasprom, dem Kommersant-Verlag, Twitter und Facebook. So schließt sich der Kreis: Die Besitzer von ICQ haben nun ihren Anteil an WhatsApp - ein Familientreffen der Messenging-Dienste.
Wie sich diese feindlichen Übernahmen auf den Ruf und somit auf die Nutzerzahlen der Dienste ausgewirkt hat, war unterschiedlich. Mal wurde die gekaufte Marke aufgewertet, mal ging sie in der Versenkung unter. Was der Fall bei WhatsApp sein wird, bleibt abzuwarten.
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