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[offen] Remakes - Aus Alt mach Neu

karlstiefel 25.06.2011 2875 8
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Remakes - die Kunst, eine Vorlage neu zu interpretieren. Kein Medium ist davor verschont, kein Original zu exotisch. Schauen wir uns an, wie alt der Trend ist, es besser, erfolgreicher oder einfach nochmal zu machen. Ihr werdet euch wundern, wo man Remakes überall finden kann!

Aus Alt mach Neu!

Das Remake – das ist die Neuinterpretation einer Vorlage aus demselben Medium. Die neue Version eines Filmes zum Beispiel, allerdings nicht die (oftmals mittelmäßige) Fernsehserie dazu. Für die einen ist es ein Zeichen von mangelnder Kreativität und Faulheit, Andere sehen darin eine interessante Möglichkeit, einen bekannten Stoff aus einem neuen Blickwinkel zu sehen. Wir schauen uns die Kunst des „noch mal Machens“ etwas genauer an. Dabei wollen wir uns allerdings auf Film, Fernsehen, Spiele und moderne Musik beschränken – sonst würde das Ganze etwas ausufern. In diesen Bereichen ist das Remake so alt wie manches Medium selbst. Wer sich mit Filmgeschichte auskennt, dem werden die Gebrüder Lumière etwas sagen – die haben nämlich im Dezember 1895 eine der ersten Kinovorstellungen, also das Zeigen eines Filmes gegen Geld, veranstaltet. Geschlagen wurden sie nur um einen Monat von den deutschen Gebrüdern Sladanowsky. Bei den Lumières in Paris gab es einen besonders beliebten Film: L'Arrivée d'un train à La Ciotat (Französisch für Die Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof in La Ciotat). Das klingt für uns verwöhnte Kinobesucher über 100 Jahre später nicht gerade besonders aufregend, einem Zug beim Einfahren in die Station zuzusehen, damals war es jedoch eine bahnbrechende technische Neuerung, bewegte Bilder projizieren zu können. Spötter der Gebrüder setzten das Gerücht in die Welt, dass die Leute panisch davongelaufen seien, weil sie dachten, der Zug wäre echt. Eine schöne Geschichte, jedoch ist nichts Wahres daran. Nur kurze Zeit später gab es bereits zwei konkurrierende Filmstudios, die ebenfalls einen ähnlichen Film, bloß eben mit einer anderen Haltestelle zeigten. Das erste Remake des Filmes brauchte nicht einmal ein Jahr.

Die Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof in La Ciotat, das Original der Lumière Brüder.

Filmvorlage


Filmvorlage

Dass eine Vorlage für mehr als nur eine Neuverfilmung dienen kann, zeigt der Klassiker Ben Hur. Meistens hat man bei dem Titel die Version mit Charlton Heston von 1959 im Kopf, doch ist das Original bereits von 1907. Dann gab es 1925 ein Remake, gefolgt von eben der 1959er Version und schließlich gab es 2003 eine etwas kindlichere animierte Version, bei der Heston wieder seine Stimme herborgte. Die Vorlage von 1880 diente außerdem noch einer Fernsehserie von 2010 und zwei spektakulären Theaterstücken. Pferdewagen-Rennen kann man halt nie genug haben.

Ein besonders beliebtes Genre für Neuverfilmungen sind Horrorfilme. Francis Ford Coppola löste 1992 eine Welle von Remakes mit der Neuinterpretation von Stoker's Dracula aus. Obwohl es sich dabei streng genommen nicht um ein Remake handelt, da es sich eher um eine neue Herangehensweise an die Romanvorlage handelte und kein anderer Film die Vorlage war. Was folgte waren Neuauflagen von Texas Chainsaw Massacre (2003) und Das Omen (2006). Die Originale von 1974 und 1967 gelten unter Genre-Verfechtern als die besseren Alternativen, doch sollte im 90er-Hype der Horrorfilme ein junges Publikum an das nicht mehr ganz zeitgemäße Material herangeführt werden. Der Trend hielt bis in das vergangene Jahrzehnt an. Japanische Schocker wie The Ring (2002) nach der Vorlage von Ringu (1998) oder The Grudge (2004) nach Ju-on (2000) und Quarantine (2008) nach dem spanischen Film REC, der gerade einmal ein Jahr zuvor erschien, waren keine Seltenheit. Eine Ausnahme bildete Psycho von 1998, welcher unter der Regie von Gus Van Sant den Hitchcock-Klassiker von 1960 eins zu eins genau gleich inszeniert wurde. Es handelte sich um eine detailgetreue Hommage an den Meister des frühen Horror-Kinos, bei der nichts an der Darstellung verändert wurde. Warum verändern, was doch so gut passt?

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Ringu und The Ring: die Plakate im direkten Vergleich.

Wohlbekannte Klänge


Wohlbekannte Klänge
In der Musik gibt es auch Remakes, bloß nennen wir sie dort Cover-Versionen. Egal ob Beatles-Cover oder die Punk-Variante vom neuesten Lady Gaga Song, an musikalischen Adaptionen bekannter Lieder mangelt es nicht. Einige der bekanntesten Titel so mancher Interpreten sind sogar gar nicht von ihnen. Hurt von Johnny Cash? Im Original von den Nine Inch Nails. All along the Watchtower von Jimmy Hendrix? Das Original war von Bob Dylan. Joe Cocker hat With a Little Help from My Friends von den Beatles gecovert, deren Hit Twist and Shout ist wiederum von den Isley Brothers. Nicht ganz offiziell ein Cover aber gut zusammengeklaut ist die Melodie von Led Zeppelins Stairway to Heaven, welche von ihren Kollegen Taurus mal eben ausgeborgt wurde. Meistens wird ja aus Liebe zur Vorlage gecovert, der man als Künstler die persönliche Note aufdrücken möchte – dann gibt es aber „Image-Covers“ wie I Love Rock 'n' Roll von Britney Spears (Original von Joan Jett) oder My Generation von Hillary Duff (Original von The Who). Natürlich kauft es jeder Britney ab, dass sie in Wirklichkeit eine Rockerbraut ist, sobald sie die Genre-Hymne trällert … oder auch nicht. Offiziell als Cover gilt eine Melodie übrigens ab sechs aufeinanderfolgenden Tönen.

Der direkte Vergleich zeigt: Stairway to Heaven ist nicht zu 100% von Led Zeppelin.

Das habe ich doch schon Mal gezockt ...


Das habe ich doch schon Mal gezockt...

Kommen wir zu Spielen, dem jüngsten Medium auf unserer Liste. Man könnte denken, dass in den 40, vielleicht 50 Jahren noch nicht genug Material für ein Remake zusammengekommen ist, aber wie wir wissen, ticken die Uhren hier etwas anders (binär oder in Valve-Zeit?). Aktuell sind ja HD-Versionen voll im Trend. Man nehme eine Spiele-Serie aus den letzten Jahren (Splinter Cell, Prince of Persia, Halo, Metal Gear Solid, Zone of the Enders, Ico, Shadow of the Colossus, Devil May Cry, God of War, Sly Raccoon, Tomb Raider oder Oddworld), verpasse einem oder mehreren der Titel neue Texturen und poliere die Grafik auf und fertig ist die HD-Trilogy oder wie man es auch immer nennen mag. Ob das notwendig ist, ein 10 Jahre altes Spiel mit genau demselben Gameplay, etwas besseren Lichteffekten und Achievements hier und da nochmal zu erleben? Nun, in einer schnelllebigen Kultur gehen viele Schätze verloren – da hat die Xbox 360 nun mal keine Kompatibilität zu alten Xbox Spielen. Mehr als alle anderen Medien sind wir hier an die Hardware gebunden, mit der alles steht und fällt. Natürlich, einen alten Film auf Zelluloid bekommt man auch in kein Blu-ray-Laufwerk, aber hier sind die Abspielgeräte eher in den Händen der Industrie, der Kunde muss sich weniger Sorgen machen. Vor der VHS-Kassette waren Filmvorführungen im eigenen Heim ohnehin eher abenteuerlich und mehr etwas für Tüftler. Dafür haben wir hier wiederum den schönen Beweis, dass sich Trends wiederholen: Früher gab es den Projektor, heute den Beamer.
Aber zurück zum Thema – viele Spiele sind für immer verloren, weil ihre Hardware nicht mehr mitmacht. Das ist vorerst nicht die PlayStation 2 mit ihren 150 Millionen verkauften Einheiten, sondern eher Arcade-Kabinette aus den 70er Jahren, die langsam aber doch den Geist aufgeben. Ersatzteile gibt es nicht, damals wurde alles speziell für die Automaten angefertigt. Ohne ein Remake auf aktuellen Systemen – und mittlerweile hat der Controller einer aktuellen Spielekonsole mehr Rechenpower als die Arcade-Prozessoren von damals – würden viele der Klassiker verloren gehen. Das ist natürlich etwas anderes als ein Remake von einem 2005er Titel. Aktuell versucht Sony ja massiv die „PlayStation-Lizensierung“ voran zu bringen. Dabei handelt es sich um die Gewährleistung der Kompatibilität mit dem hauseigenen PlayStation One Emulator. Vorzeigeprojekt ist das Xperia Play Handy von Sony Ericsson, welches eine Mischung aus Mobiltelefon auf Android-Basis und PlayStation Portable darstellt – zukünftige Handys dieser Marke mit dem gleichen Betriebssystem sollen ebenfalls PS1 Titel mobil spielbar machen. Auch die beiden geplanten Sony-Tablets werden die Spielekonsole aus den 90ern emulieren können. Naja, warten wir erst die Neuauflagen von Halo 2, 3, Reach, Wars und wahrscheinlich 4 für die Xbox 720 ab.

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Beispiel Metal Gear Solid: die HD-Version ist oben zu sehen, das Original darunter.

Alter Bekannter oder Abzocke?


Alter Bekannter oder Abzocke?

Nun gut, jetzt haben wir uns also einen Überblick zu dem Thema verschafft, aber das klärt noch nicht (oder zumindest kaum), warum wir immer wieder mit demselben Inhalt beglückt werden. Der technische Aspekt ist ja klar – unabhängig von der Hardware, dem Abspielgerät, werden Klassiker in die Gegenwart geholt und zeitgemäß aufpoliert. Aber was bedeutet diese mediale Wiederverwertung für die Kunden und die Industrie? Macht es wirklich Sinn, noch einmal 40 Euro für Halo zu zahlen? Klar, die Hersteller brauchen Geld und da sind Fanboys natürlich etwas Nützliches. Eine Vorlage, die sich schon ein Mal rentiert hat, wird auch ein zweites Mal im neuen Gewand gewinnbringend sein. Die Fan-Basis ist ja bereits vorhanden, die Marke etabliert und bekannt. All die Schwierigkeiten, eine Serie vorzustellen und der Kundschaft schmackhaft zu machen, fallen somit weg. Aber wenn es nur darum gehen würde, und kein Markt dafür vorhanden wäre, würde es ja nicht so viele Remakes geben. Die Kunden wollen es ja so. Idealerweise ist jedes Produkt, so auch die Medien in all ihren Ausformungen, etwas Bekanntes mit eingeübten Paradigmen und Mechanismen, mit dem Zusatz von etwas Neuem, was so noch nicht existiert. Der erste Teil wird meist durch die Anwendung definiert. Wir wissen, was man mit einem Joghurt macht und wenn eine neue Geschmacksrichtung im Angebot ist, sind wir nicht mit dem Essen überfordert. Die Meisten zumindest nicht. Erfolgreiche Spiele oder Filme verwenden das selbe Rezept – so werden Shooter oder Horrorfilme nach einem dem Konsumenten eingeübten Rezept angefertigt. Es gibt einen Spannungsbogen im Film oder eine Spiel-Mechanik, die wir schon öfters gesehen haben, nun liegt es an den Medien, uns mit dem Gewohnten zu überraschen. Remakes bieten hier einen Vorteil: Sie sind bekannt oder zumindest bewährt und können so gleichzeitig etwas Altes und etwas Neues bieten. Natürlich nicht auf so einer grundlegenden Ebene wie einer Spielmechanik, sondern durch das übergeordnete Spiel selbst. Einfach ausgedrückt: Wir mögen Remakes, weil wir sie bereits kennen. Aus den Fehlern des Originals wurde gelernt, die Macher haben sich dem aktuellen Stand der Technik angepasst und somit eine mehr oder weniger zeitgemäße Version des Stoffes abgeliefert. An dieser Stelle noch eine schöne Geschichte: Die Nintendo 3DS Version vom N64-Klassiker The Legend of Zelda: Ocarina of Time hat absichtlich noch alle Bugs aus dem Original. Schwerwiegende Fehler, sogenannte Gamebreaker, wurden behoben, doch die kleinen Tricks und Kniffe, die man damals zufällig fand können auch heute wieder entdeckt und mit Freunden geteilt werden.

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Das eine Bild ist aus dem Film Karate Kid, das Andere ist Jackie Chan mit dem Sohn von Will Smith. Man beachte den Unterschied.


Ich persönlich sehe in zahlreichen Remakes auch einen „umgekehrten Retro-Faktor“. Indem die alten Vorlagen neu und doch halbwegs detailgetreu aufgearbeitet werden, können so nicht nur die Fans des Originals erneut begeistert werden. Auch jemand, der zum ersten Mal in Kontakt mit einer Serie kommt, wird sich (wahrscheinlich) weiter informieren und bald bemerken, dass es eine Vorlage gibt. Gefällt ihm diese, besteht die Chance, dass er sich mit dem „alten Schinken“ auseinandersetzt. Vielleicht schaut er so erstmals einen Film in der Originalsprache, lernt eine neue Band oder einen unbekannten Musikstil kennen, und erweitert so – ganz versehentlich – seinen eigenen Horizont. Bei Remakes ist es einfach unwahrscheinlich für beide Seiten, ein Verlustgeschäft zu machen. Die Serie hat sich meistens bereits rentiert, sie wird sich sicherlich verkaufen, da es eine Käuferbasis gibt und die Kundschaft weiß ganz genau, was sie zu erwarten hat. Ein solch risikoarmes Geschäft freut natürlich jeden Hersteller – auch, weil es als Stimmungs-Barometer dienen kann, ob die treuen Kunden mehr von dem Gleichen haben wollen. Mit Anpassungen auf das Ziel-Publikum, wie ein anderer Kulturkreis bei einem Remake von einem japanischen Film für uns Westler, die Adaption in das eigene Musikgenre oder der aktuellen Technik angepasste Grafik in einem Spiel, werden einschränkende Begrenzungen entfernt und neue Zielgruppen erschlossen. Ob die neue Version besser ist als die Alte – darum dürfen sich die Fans streiten.
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