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In Your Face Friday - Alles ist eine Fortsetzung

karlstiefel 10.07.2015 13113 2
Gute Filme werden zu Trilogien, die besten Filme werden endlos fortgesetzt. Oft wäre das nicht notwendig, manchmal liegt die Stärke von Film- und Fernsehserien in ihrer Langlebigkeit. Wir erleben, wie sich die Medienlandschaft den Trend zurück zum Mehrteiler entdeckt und diesen eine neue Daseinsberechtigung gibt.

Es ist nicht der erste IYFF über Fortsetzungen. Nicht mal der zweite. Hiermit wird aus dem Thema eine Trilogie. Bisher haben wir sowohl über heiß ersehnte, als auch über unnötige Fortsetzungen gesprochen. Quasi den "sollte"- und "sollte nicht"-Zustand, der Ist-Zustand blieb aus. Bis jetzt. Denn dieses Mal soll es um die Möglichkeiten gehen, die der andauernde Trend hin zu Sequels, Prequels und sogar Reboots bieten könnte. Dass hinter mehrteiligen Medienproduktionen immer auch der Geldgedanke steht, soll hierfür ausgeklammert werden.
Also: Bringt uns als Konsumenten der Fortsetzungswahn etwas? Was wir wollen hat sich im Endeffekt ja nicht geändert - eine stimmige Geschichte, die mit dem entsprechenden Medium kunstvoll von Anfang bis Ende erzählt wird. Der Punkt Zwischen Anfang und Ende wurde in den letzten Jahren jedoch mehr und mehr ausgedehnt. Wir haben also mehr zu konsumieren, was ja eigentlich in unserem Sinne ist. Leider fühlt sich das selten organisch und viel zu oft gewollt und hingekünstelt an. Wer die Vorlage des Hobbit kennt wird sich gewundert haben, wie man aus einer dermaßen dünnen Vorlage eine Trilogie auf die Kinoleinwand adaptieren kann. Ähnlich ging es den letzten Bänden von Harry Potter und den Tributen von Panem, was selbst ein sehr interessantes Crossover geben würde wenn der Titel schon so gut passt. Zurück zum Thema: Hier wurden die finalen Bände auch in zwei Filme aufgeteilt. Nicht selten hat diese Entscheidung der Studios für Unmut bei den Zuschauern gesorgt - in die Kinos wurde dennoch gepilgert. Bei allen drei Filmen hat es jeweils ein Jahr zwischen der Veröffentlichung der einzelnen Teile gedauert - aus Konsumentensicht reine Zeitschinderei. Wir wollen eine vernünftige Verfilmung und zwar sofort.
Das bringt uns zu einem wichtigen Punkt: Die Option "alles sofort" wäre vor 20 Jahren ein Kraftakt gewesen, über den sich kein Herausgeber getraut hätte. Heute ist es durchaus im Rahmen des Möglichen - siehe Netflix. Auf der Video-Streaming-Plattform werden die selbstproduzierten Serien nicht Folge für Folge, sondern gleich staffelweise veröffentlicht. Ob die Zuschauer nun ein Mal pro Woche oder alles in einem Marathon schauen, bleibt ihnen überlassen.

Manche Serien sind einfach zeitlos.

Die Aufteilung von Geschichten - mit besonderem Fokus auf Filme und Serien - hat mittlerweile Hand und Fuß. Etwas wie Game of Thrones wäre als Film schlichtweg nicht möglich, Herr der Ringe wäre als einzelne Verfilmung etwas dicht gedrängt. Oder stellt euch das Marvel-Universum vor, wenn es keine Fortsetzungen geben dürfte. Die Geschichte der Avengers wäre undenkbar. Da jeder der Helden nun mehrere Filme hat, kommt es in den beiden Crossover-Filmen nun zu massig Action und einer spannenden Interaktion zwischen den Charakteren. Für die individuellen Geschichten kommen dann die "Einzelfilme" zum Einsatz. Ein anderer Held dient sogar als Spiegel seiner Zeit: James Bond ist vom Agenten-Thriller zum gadgetgetriebenen Actionfilm und schließlich zu einer teils recht düsteren Charakterstudie geworden. Wäre es beim Kampf mit Dr. No geblieben, hätten wir auf viele gute (und manche trashige) Filme verzichten müssen.
Im Endeffekt braucht es die richtige Herangehensweise, um eine Fortsetzung wirklich sinnvoll zu machen. Das Rezept, einem erfolgreichen Film zwei weitere Teile zu spendieren, ist mittlerweile eingegangen. Aktuell haben wir noch mit dem "Aufteilen" von letzten Teilen einer Vorlage zu hadern. Ein Konzept mit gemischten Resultaten. Wirklich gut sind Fortsetzungen, wenn sie entweder einem Konzept folgen und somit eine wirklich komplexe Geschichte erzählen oder wenn der Hauptcharakter ein Archetyp ist. Sherlock Holmes hat mit zwei gleichnamigen Guy Ritchie-Filmen sowie den Serien Sherlock und Elementary ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit spendiert bekommen. Dennoch standen sich die drei Umsetzungen nicht im Wege, sondern beleuchteten jeweils eine andere Interpretation des Detektivs. Hier ist schon egal, ob es sich um eine Fortsetzung, ein Sequel oder ein Spinoff handelt.
Es bleibt zu hoffen, dass die Fortführung von Filmen und Serien nicht mehr als reiner Selbstzweck betrieben wird. Was wir hier sehen, ist eine Ausprägung des Poststrukturalismus. Die alten Formen und Strukturen werden aufgelöst und "neu angeordnet" - statt einer Trilogie kommen Quatrologien in die Kinos, wenn das nicht mehr ausreicht wird eine Serie gemacht. Comics wie Daredevil hat der Wechsel gut getan und Wiedergutmachung für den grottenschlechten Film wurde ganz nebenbei auch noch betrieben. Durch das Wegfallen der "alten" Formen erschließen sich neue Möglichkeiten, frische Erzählstrukturen und eine Langzeitbindung der Konsumenten wird zum Standard. Die Fortsetzung an sich hat ihr Recht auf eine Fortsetzung also nicht verspielt, sondern endlich verdient.

Komplexität muss sich entfalten können und braucht ihre Zeit ... oder so.

Hier noch etwas zum nachdenken: Scorpion King 4: Quest for Power ist das Sequel eines Sequels eines Sequels eines Spinoffs eines Sequels eines Remakes.
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