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Gamingseat im Eigenbau

Vo 15.09.2007 47795 27
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Seid ihr von Fahr- oder Flugsimulatoren begeistert? Mögt ihr Eure Schreibtischsessel auch nicht mehr? Dann könnte es Euch interessieren, wie man aus einem Autositz und etwas Holz einen preiswerten und individualistischen Gameseat bauen kann.

Das Ergebnis eignet sich aber nicht nur zum Spielen, sondern kann auch als durchaus komfortables "Alltagsmöbel" dienen.


Warum selber bauen?



Die unten stehende Liste vermittelt einen kleinen Einblick in das kommerzielle Gameseat-Angebot, wobei der Schwerpunkt im Bereich Rennsimulation liegt. Die Preise rangieren zwischen umgerechnet etwa 140 und 1.000 € - allerdings mit stark unterschiedlicher Ausstattung.



Angesichts dieser Preise rentiert sich der Eigenbau durchaus.

Was bietet die Konstruktion?



Das Konzept: Man nehme einen Autositz und montiere ihn unter Erhaltung seiner Verstellmechanismen auf einen kippsicheren Sockel. Zum Aufstehen wird der Sitz in seiner Führung nach hinten geschoben.

Vielleicht hat der eine oder andere von Euch den Gameseat-Artikel im Gamers.at 04/07 gesehen. Darin wurden bereits die Grundzüge dieses Projekts beschrieben. Hier möchten wir einerseits stärker ins Detail gehen, und andererseits die Einsatzmöglichkeiten als Alltagsmöbel beleuchten.


Die Stärken der Konstruktion:

  • Hoher Sitzkomfort zu erschwinglichem Preis
  • Authentischeres Gefühl für Flug- und Fahrsimulatoren
  • Zahlreiche Erweiterungen möglich
Die wesentlichen Arbeitsschritte lassen sich mit etwas Erfahrung in einigen Stunden erledigen.

Persönliche Meinung

Nach mehreren Monaten Benutzung des hier beschriebenen Sitzes kann ich sagen, dass ich ihn trotz kleiner Probleme keinesfalls missen möchte. An Bequemlichkeit mangelt es nicht - nur sehr platzbedürftig ist das Möbel. Selbstgemachte Sachen machen trotzdem viel mehr Spaß als die gekauften, oder?


Erweiterungsmöglichkeiten



Abgesehen von den trivialen Erweiterungen (z.B. einen Joystick integrieren), sind viele andere Dinge denkbar:

Wer zu Verspannungen neigt, oder seinen Computer an einem kalten Ort stehen hat, freut sich womöglich über eine Sitzheizung. Sollte der Sitz Eurer Wahl nicht mit Heizmatten ausgestattet sein, könnt ihr sie nachrüsten. Eine Sitzheizung hat eine Leistungsaufnahme von etwa 50 Watt.

"Body Shaker" sind besondere Lautsprecher, die den Sitz zum Vibrieren bringen können, und dadurch das Spielerlebnis noch beeindruckender gestalten sollen. Siehe dazu z.B. folgendes FAQ oder Migman.com.

Zur Entlastung der Schultern können Armlehnen installiert werden. Darin ließen sich auch Steuerelemente integrieren. Allerdings dürfen die Armlehnen beim Aufstehen nicht hinderlich sein. Manche Autositze lassen sich elektrisch verstellen. Das alleine ist schon sehr komfortabel - aber mit etwas Geschick lassen sich die Sitzeinstellungen auch über den Computer steuern und in Profilen abspeichern. Das könnte dann so ähnlich wie beim Zahnarzt aussehen:

  • Position 1 – "Kino" – Beine gestreckt, Lehne flach, Lendenbereich weniger unterstützt
  • Position 2 – "Montag morgen" – Lehne sehr aufrecht, Lendenbereich gut unterstützt, Sitzheizung an
  • Position 3 – "Feierabend" – Sitz wird in einen Zustand gebracht, der das Aufstehen erleichtert

Die Anspeisung könnte über das Computernetzteil erfolgen (12 V). Gedenkt man den Sitz nicht nur zum Spielen zu verwenden, so sollte man überlegen, ob es eine Lösung gibt mit der sich das Möbel mit wenigen Handgriffen umbauen lässt (z.B. Autopedale abschrauben).

Zur Anregung der Phantasie noch eine kleine Liste artverwandter Projekte:


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Ich für meinen Teil hoffe, noch in diesem Leben Armlehnen mit integrierter Datahand zu bauen. Immerhin - meine Fußtaster sind schon an Bord. Ein ebenfalls auf den Armlehnen befindlicher kleiner, programmierbarer Joystick und ein Wahlrad für die Funktion der Fußtaster wären für mich ebenfalls eine wünschenswerte Erweiterung.

Planung und Einkauf



Bevor die eigentliche Planung beginnt, sollte man sich schon den Sitz zugelegt haben - er ist das maßgegende Kriterium.

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Richtlinie für 180 cm Körpergröße.
Zuerst ermittelt man die zur eigenen Körpergröße und Umgebung passenden Maße. Dabei sollten Form und -höhe des Tisches auf dem der Bildschirm und Eingabegeräte stehen, die Größe des Bildschirms sowie die persönlichen Vorstellungen berücksichtigt werden. Der nebenstehenden Abbildung kann man eine Empfehlung für etwa 180cm Körpergröße entnehmen. Als Richtlinie siehe auch einen Folder der Arbeiterkammer oder diesen Musterarbeitsplatz. Man muss auf jeden Fall beachten, dass am Aufstellort genug Platz ist, und man die Konstruktion vom Bauort auch dort hinbringen kann.

Die Wahl der Werkstoffe sollte sich vor allem nach der Verfügbarkeit, dem Preis, der Erfahrung in der Verarbeitung und der Werkzeugausstattung richten. Die konstruktive Lösung des "Tragwerks" möchten wir gerne jedem selbst überlassen – wer möchte kann sich an den Fotos orientieren.

Im Prinzip ist es immer die gleiche Leier: Vorher eine genaue Zeichnung machen - dann gibt es auch keine bösen Überraschungen. Bevor die Säge loskreischt sollte man einen Schnittplan im Kopf haben, um große Mengen an unbrauchbarem Restholz zu vermeiden.

Wir schreiten zum Einkauf: nicht vergessen, dass der Einkauf auch ins Auto / in die Straßenbahn passen muss! Im ersten Fall soll es schon vorgekommen sein, dass Fahrgäste am Einkaufsort zurückgelassen werden mussten.

Es kann unmöglich in einer Wohnung gebaut werden. Beim Sägen und Hobeln entstehen jede Menge Späne und Staub, die sich wie ein "edler" Schleier über die gesamte Raumausstattung legen würden. Dementsprechend sollte bei der Arbeit für Frischluft gesorgt sein. Regelmäßiges Aufkehren hilft bei der Vermeidung von garstigen Unfällen. Denkt auch an Eure Nachbarn – ihr werdet laut sein.

Dieser Ratgeber geht von einer Holzkonstruktion aus, weil Metall hierfür folgende unerwünschte Eigenschaften hat:

  • schwieriger erhältlich und teurer
  • schwerer zu verarbeiten
  • Korrosionsschutz nötig
  • kalt
  • "lauter" (z.B. scheppern)
Natürlich wollen wir dabei nicht verschweigen, dass eine Metallkonstruktion bei entsprechender Gestaltung leichter zu transportieren und verstauen ist.

Untenstehend einige Bilder vom Bau: Anreissen, ausschneiden, anpassen, zusammenbauen, Holzkonstruktion fertig, Sitz zerlegen und Schienen "passend machen", tapezieren.

9 Bilder
Auf den abschliessenden Seiten befindet sich eine ausführliche Beschreibung der benötigten Materialien, sowie der zum Bau geeigneten Werkzeuge.

Anhang: Materialien - Bezugsquellen und Preise I



Sitz

Da der Sitz das Zentralelement ist, sollte man einen auswählen der gut zu einem passt. Der schöne Autositz eines Freundes ist nichts wert, wenn man selbst nicht bequem darin sitzen kann. Je nach Geldbeutel kann man sich nach einen Sitz mit einer Reihe von Verstellmöglichkeiten umsehen. Eine Längsverschiebung des gesamten Sitzes und die Einstellung der Lehnenneigung darf man als Standard voraussetzen. Fahrersitze bieten häufig mehr Verstellmöglichkeiten als Beifahrersitze, sind aber naturgemäß stärker abgenutzt. Die Sitze eines Raucherfahrzeugs nehmen im Laufe ihres Lebens womöglich den Odor einer Selchkammer an.


Die Auswahl bei unserem örtlichen Ausschlachter war nicht gerade berauschend – vielleicht habt ihr mehr Glück. Ausgebaute Sitze gab es dort um etwa 50 €. Beim Ausschlachter gibt es zu bedenken: Wracks die im Freien stehen haben in der Regel keine Fensterscheiben mehr. Daher sollte man lieber frische Wracks in trockenen Zeiten besichtigen – die Sitze sind sonst völlig unbrauchbar. Vielleicht ist es auch möglich über eine Werkstatt an die Sitze eines Unfallfahrzeugs kommen. Das Grand der Sitze bei eBay scheint in einem schlechten Zustand zu sein. Im Notfall hilft bei der Beschaffung dann wohl nur noch Vitamin B – "Beziehungen".

"Böse Zungen" haben behauptet, der hier verwendete Sitz wäre nicht schön genug. Natürlich ließen sich tollere Sitze finden – aber: Ein hervorragender Sportsitz muss noch lange kein bequemes Sitzmöbel ergeben – die Anforderungen sind einfach nicht die gleichen. Der Sitz kann bei Bedarf ohnehin leicht gegen einen anderen ausgewechselt werden. Campingfahrzeuge haben oft drehbare Sitze mit Armlehnen – vielleicht könnte man daraus auch etwas machen.

Bezugsquelle ist von hieran - wenn nicht anders angegeben - der Baumarkt.

Platten

Da für die meisten von uns der Einkauf über den Holzfachhandel nicht in Frage kommt, müssen wir uns mit den Gaben der Baumärkte begnügen. Häufig sind die Produkte leider von minderer Qualität und es gibt keine Angaben zur Festigkeit. Dafür darf man aber etwas tiefer als üblich in den Geldbeutel greifen!

Aufgrund des geringen Preises und der akzeptablen Tragfähigkeit haben wir OSB verwendet. OSB hat außerdem den Vorteil, dass man für kleine Schrauben nicht vorbohren muss – was bei Spanplatten zum Aufspringen führen würde. Der Quadratmeter 18 mm starker OSB kostet etwa 7 €. Leider hat OSB den Nachteil an den Rändern leicht auszusplittern.

Anhang: Materialien - Bezugsquellen und Preise II



Staffeln

Staffeln sind aus Nadelholz und meist "sägerauh" oder gehobelt erhältlich, wobei sägerauh unseres Erachtens genügt. Im Baumarkt kostet der Querschnitt 5x8 cm satte 1,5 € pro Laufmeter.

Schrauben

Wir empfehle für alle tragenden Zwecke "6er" Schrauben mit "Torx" zu verwenden. Torx-Schrauben lassen sich unseres Erachtens nach im Gegensatz zu Kreuzschrauben wesentlich bequemer verarbeiten. Durchmesser unter 6 mm drehen im Nadelholz leicht durch und verhindern so das erwünschte Zusammenziehen der Bauteile.


Teppich und Stoff

Teppich sorgt für wärmere Füße, sowie griffigen und schöneren Untergrund. Schwarzer Teppich ist eher schwer zu bekommen. Wenn man keine Teppichfliesen verwenden kann oder will, muss man womöglich mindestens einen Meter Länge bei jeweiliger Rollenbreite kaufen. Vielleicht hat auch jemand einen Rest herumliegen. Der Teppich kann aufgeklebt werden. Zur Sicherung der Ränder empfehlen sich Leisten. Natürlich kann man auch den ganzen Kasten beziehen. Dafür kommt außer Teppich z.B. Kunstleder oder jeder andere widerstandsfähige und pflegeleichte Stoff in Frage. Der Quadratmeterpreis sollte bei Teppich um 7 € liegen. Vermeidet die ganz billigen Teppiche - sie verschleißen sehr schnell.

Winkelleisten

Zur Zierde, oder um weniger widerstandsfähige Kanten zu schützen, können z.B. Winkelleisten aus Kunststoff, Aluminium oder Messing verwendet werden. Messingleisten sind die teuersten – dann folgen Aluminium und weiter Kunststoff. Kunststoffleisten sind je nach Ausführung nicht sehr robust. Sie haben aber den Vorteil, dass sie sich bei Berührung warm anfühlen. Leisten kosten pro Laufmeter zwischen 1 und 5 €.

Möbelfüße

Steht die Konstruktion vollflächig auf dem Boden, so kann beim Verschieben der Bodenbelag zerkratzt oder aufgerissen werden. Außerdem ist das Schieben nur mit großem Kraftaufwand möglich. Um das zu verhindern, empfiehlt sich der Einsatz von irgendwelchen Füßen. Man kann z.B. für Gartensessel vorgesehene Rohrstopfen aus Kunststoff benutzen. Hölzerne Halbkugeln, die sonst als Abschluss von Handläufen Verwendung finden, sind ebenso denkbar. Der Preis kann bei weniger als 2 € liegen.

Anhang: Werkzeug



Schutzausrüstung

Ohne eine dicht abschließende Schutzbrille ist z.B. Sägen nur stark erschwert möglich. Gerade in geschlossenen Räumen bemerkt man auch sehr schnell, dass die Maschinen sehr laut sind - daher Gehörschutz verwenden. Für einige Arbeiten empfehlen sich Arbeitshandschuhe. Schutzausrüstung ist wichtig und nützlich –wir sprechen aus Erfahrung.


Werkzeug

Größte Vorsicht beim Einsatz von Werkzeug – insbesondere von Elektrowerkzeug. Nicht zu nahe an arbeitende Partner herantreten; Geräte sicher hinstellen; kein Werkzeugwechsel an angesteckten Maschinen; keine Spielchen. Wenn ihr noch nie mit diesen Werkzeugen gearbeitet hast, lasst sie Euch zumindest von jemandem erklären, der damit vertraut ist. Im Folgenden findet sich eine Liste der verwendeten Utensilien und einige Gedanken dazu.


  • Bohrmaschinen – je mehr Bohrmaschinen desto besser – das erspart den häufigen Werkzeugwechel von z.B. Bohrer und Schraub-Bit. Für unsere Zwecke ist eigentlich jede günstige Bohrmaschine gut genug. Aufgrund der mangelnden Leistungsfähigkeit empfehlen wir den Einsatz von Akkuschraubern nicht. Holz mit entsprechend hoher Drehzahl bohren.
  • Senker – Wenn keine selbstsenkenden Schrauben verwendet werden, sollten die Löcher gesenkt werden. Der Senker hat einen anderen Spitzenwinkel und läuft weniger leicht ins Material als ein großer Bohrer.
  • Bohrer – Keine Holzbohrer nötig. Gewöhnliche Metallbohrer funktionieren auch. Eventuell verstopfte Spankammern reinigen.
  • Bits – Immer die passenden verwenden – es gibt z.B. für Kreuzschrauben verschiedene Formen und Größen – man macht sich mit der Verwendung des falschen Bits die Arbeit nur unnötig schwer. Bits am besten mit einem Bit-Halter verwenden.
  • Handkreissäge – Mit einer Stichsäge lassen sich nur schwer gerade und ebene Schnitte umsetzen. Eine Schnitttiefe von 55mm reicht aus.
  • Schraubzwingen – zum Festspannen von Teilen die verbunden oder abgepaust werden.
  • Hobel – Maßkorrektur und Oberflächenglättung – Niemals über Metall hobeln – Messer gehen sofort kaputt. Nicht einmal daran denken die laufenden Messer zu berühren.
  • Winkelschleifer – Zum Anfasen der Holzplatten, Schneiden und Schleifen von Metall.
  • Stromverteiler – sonst steckt man die ganze Zeit nur um.
  • Heftklammermaschine – zum Heften von Schaumgummi und Bezügen - nicht die Büroklammermaschine probieren!
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