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In Your Face Friday - The Revolution will not be televised

karlstiefel 02.12.2011 21806 24
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“The Revolution will not be televised!” sagte 1970 der moderne Dichter Gil Scott-Heron im Zuge der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Und er sollte auch über 40 Jahre bis über seinen eigenen Tod hinaus Recht behalten: Die Revolution wird nicht im Fernsehen übertragen. Sie findet auf Twitter und Facebook statt, in Blogs und via SMS, wird mit Skype und MSN besprochen. Das Fernsehen kriegt nur die Überreste.

Als “Arabischer Frühling” wird die Reihe von Revolutionen bezeichnet, die seit vergangenem Jahr im Gange ist. Manche davon verliefen blutig und hinterließen einen toten Diktator, andere waren stürmisch und mehr als nur unangenehm für die autoritären Regierungen, wiederum andere hatten leider keinen Erfolg. In 17 Staaten gab es Proteste, zahlreiche Länder wurden von dem Revolutionsgedanken beeinflusst.

Zum Einstimmen für den heutigen IyFF: "The Revolution will not be televised" von Gil Scott-Heron.


Dabei geht man nicht nur mit Fäusten vor, in Deutschland zum Beispiel helfen Hacker-Grupen wie die Telecomix den ausländischen Revolutionären bei ihrem Vorhaben. Schließlich leben wir im 21. Jahrhundert, der Datenkrieg ist zur Realität geworden. Jetzt hackt man eben keine Silos mit thermonuklearen Sprengsätzen mehr, sondern Überwachungs-Server. In Syrien in etwa werden kritische Blogger vom staatlichen Internet-Provider ausspioniert. Die Technologie dafür kommt aus den Staaten - die Herstellerfirma jedoch leugnet, jemals an Syrien etwas geliefert zu haben. Die Software, die also eigentlich Mitarbeiter in großen Firmen von FarmVille und Co abhalten soll, sorgt in Syrien für eine Dokumentation von regierungsfeindlichen Tätigkeiten im Internet. Blogs, Gespräche, E-Mails - alles dokumentiert und gespeichert. Dann wurden die Server wie erwähnt von Telecomix gehackt, die Listen veröffentlicht und die Überwachungs-Technologie in die Tonne gekippt. Große Tonnen haben die in Syrien.

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Das Logo von Telecomix, Hacker für den guten Zweck.


Jetzt mag das Internet die Demokratie. Nicht unbedingt das Internet selbst, das ist ja nur eine riesige Ansammlung an Datenleitungen. Aber die Leute hinter diesem sogenannten Internet, die mögen Demokratie auf jeden Fall. Meistens haben sie eine eigene Vorstellung von einer demokratischen Gesellschaft, wie Anonymous und assoziierte Gruppen immer wieder beweisen. Ganz im Geiste von WikiLeaks werden auch immer wieder Firmen und Behörden gehackt und deren Informationen verbreitet. Was mit keiner Hacker-Ethik zu vereinbaren ist, scheint für manche Aktivisten wohl eine Mischung aus Trollen und Demokratisierung zu sein. Trollokratie sozusagen. Aber das sind Nutzer - Einzelpersonen, die sich zu losen Aktionsgruppen zusammenschließen. Die Organisationen hinter den eigentlichen Plattformen mögen die Demokratie auch, zeigen das bloß anders. Bei Twitter wuden die Wartungszeiten in die Nachtstunden der Länder im Umbruch verlegt, damit tagsüber eine ungestörte Dokumentation möglich ist. Eine Beihilfe zur Revolution, ohne wirklich einzugreifen.

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Für die revolutionären Kräfte im arabischen Raum ist das Internet mehr als nur ein Spiel- oder Arbeitsplatz.


Und wir, die Erfinder dieser demokratisierenden Technologien? Wie nutzen wir die uns zur Verfügung gestellten Plattformen zur Verbesserung unserer Gesellschaft? Nun, nicht wirklich. Zwar hat unser werter Bundeskanzler Faymann seit Neuestem einen Twitter-, Facebook- und YouTube-Account, doch ist das nur ein neuer, extern betreuter Pressesprecher-Kanal. Der Kanzler sagt uns, was "er" meint, sagen zu müssen und erreicht durch die Nutzung dieser Kanäle möglichst viele Bürger. Sobald die Nachricht verstanden wurde, ist schon die nächste in der Pipeline. Eine wirkliche Kommunikation im Sinne der Plattformen findet nicht statt. Sogar der Nachrichtensprecher Armin Wolf (sehr aktiv auf Twitter) wird vom "Team Kanzler" ignoriert. Schade, dass Politiker das Internet nicht als das verstehen, was es sein kann. Da muss man schon manchmal nachhelfen, wie es in etwa erst kürzlich in einem Chat mit der Finanzministerin Maria Fekter der Fall war. Diese begrüßte auf derstandard.at mit den herzlichen Worten “Einen schönen Mittag und vorweg ein herzliches Dankeschön an alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler von der Finanzministerin.” Der Nutzer “Schimmelwange” nutzte die Gunst der Stunde und sagte der Politikerin das, was wir alle wohl gerne einer Vertretung des Staates ins Gesicht sagen würden ...

derstandard.at und die Finanzministerin
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