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In Your Face Friday - Vorbesteller

karlstiefel 22.02.2013 7365 11
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Ich freue mich richtig! Bald kommt die Fortsetzung von meinem Lieblingsspiel heraus. Wenn man es bei einem Online-Händler vorbestellt kriegt man noch zusätzliche Outfits und ein Extra-Level. Da werde ich sofort bestellen. Oder ist das etwa keine gute Idee?

“Preorder” ist so ein Unwort, das Zocker gerne um sich werfen. Das Prinzip hinter dem neudeutschen Begriff ist einfach: Bestellt ein Spiel vor der Veröffentlichung und ihr erhaltet zusätzliche Inhalte. Oder wenn man es böse ausdrücken möchte: Man kauft die Katze im Sack. Nun lässt sich diese Geschäftspraxis sehr gut nachvollziehen. Kleine Extras generieren Vorfreude bei den Konsumenten, der Spielekauf wird zum Erlebnis und sowohl der Einzelhandel als auch die Entwickler und Publisher erhalten vor dem Release-Tag bereits Geld. Jeder gewinnt, oder? Nicht ganz, wenn man genau darüber nachdenkt, denn schließlich ist über das Produkt noch nichts bekannt. Hier sind wir bereits bei der tatsächlichen Währung in diesem Geschäft. Neben Euro oder Dollar wird nämlich viel Vertrauen investiert.

Nehmen wir zwei Beispiele zur Hand, damit die Problematik anschaulich wird. Beispiel Nummer 1 kann einfach nur Aliens: Colonial Marines sein. Dieser Shooter ist nach nicht weniger als fünf Jahren Entwicklunsgzeit am 12. Februar erschienen und hat jetzt bereits das volle Potenzial, um der “Flop des Jahres” zu werden. Schlechte Wertungen von Presse und Konsumenten sprechen eine deutliche Sprache: Dieses Alien-Game ist einfach nicht gut und das obwohl köstliche Bilder und sogar Ingame-Videos vorab vom Gegenteil überzeugen wollten. Zu blöd, wenn man den Titel deshalb vorbestellt hat, denn das finale Spiel ist nicht annähernd mit den scheinbar speziell aufgepeppten Preview-Inhalten vergleichbar. Wer diesen Videovergleich gesehen hat, weiß wovon ich spreche! So schön diese Extras also auch sind, wenn das grundlegende Gameplay nicht passt, ist das wie Nutella auf einem schimmligen Brot.

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Bei Aliens: Colonial Marines wurden Vorbesteller durch falsche Eindrücke zu einem Kauf gebracht. Betrug?


Aber widmen wir uns genießbaren Szenarien, Vorbesteller-Boni haben nämlich auch eine gute Seite. Das zeigt Bioshock Infinite, welches Ende März in die Läden kommt. Hat man den Steampunk-Shooter vorbestellt, erhält man Zugang zu dem Puzzlespiel Industrial Revolution. Dieses erzählt - man traut es einem Puzzle kaum zu - die Vorgeschichte der fliegenden Stadt Columbia und dem dort tobenden Bürgerkrieg. Erst durch das Lösen der Puzzles schaltet man nach und nach die Zusatzinhalte frei. Man erarbeitet sich also erst richtiggehend die Boni. Die daraus resultierende Immersion bereitet den Spieler richtiggehend auf das vor ihm liegende Abenteuer vor. Nun haben wir hier wieder dasselbe Problem: Vorfreude auf einen Titel, über dessen Qualität wir eigentlich noch gar nichts wissen. Zwar habe ich persönlich die ersten beiden Bioshock-Teile sehr genossen, das sagt jedoch nichts über den Nachfolger aus. Nun möchte man besonders als Vorbesteller jedoch, dass das Spiel auch den eigenen Erwartungen entspricht. Schließlich hat man bereits Geld dafür ausgegeben und ist emotional involviert. Das funktioniert meistens auch ganz ohne Puzzles ganz gut. Durch diese Faktoren wird ein ganz persönlicher Hype generiert: Das Spiel wird gut, weil ich Geld und Emotionen hineingesteckt habe ... weil ich erwarte, dass das Spiel gut wird. Ah ja!

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Um an die Vorbesteller-Boni von Bioshock Infinite zu kommen, muss man Puzzles lösen.


Es ist ein Luxusdilemma: Zwar möchte man Spiele als ein Erlebnis wahrnehmen, das weit über das Spiel selbst hinaus geht, doch sind Erwartungen ein zweischneidiges Schwert. Vorbestellerboni werden von verschiedenen Quellen angeboten und manchmal müsste man sogar den selben Titel drei oder vier mal kaufen, um alle Inhalte zu bekommen. Oder man "darf" später erneut in die Geldbörse greifen, um diese Inhalte als DLC nachträglich zu erwerben.

Ist es jetzt also eine gute Idee, Spiele vorzubestellen, oder soll man es lieber lassen? Das kommt ganz darauf an, ob man diese Geschäftsstrategie der Publisher auch wirklich unterstützen möchte. Meiner Meinung nach muss von Spiel zu Spiel für jeden subjektiv entschieden werden, ob sich der Vertrauensvorschuss auch wirklich lohnt. Unterm Strich ist und bleibt es eine anfangs hoffentlich gute gemeinte Verkaufstaktik zum Ankurbeln der Verkaufszahlen, die mittlerweile weite Kreise gezogen hat. Dass in diesem riskanten Geschäft auch mit Fehlschlägen zu rechnen sein muss, sollte klar sein.

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Metro: Last Light enthält Preorder-Verweigerern gleich einen Schwierigkeitsgrad vor.


Trotzdem gibt es bei wohl keinem anderen Medium eine dermaßen ausgeprägte “HABEN WOLLEN!”-Mentalität. Und diese wird auch bewusst durch Teaser, monatelang geführte Developer-Blogs, Preview-Artikel und Co geschürt. Denn im Vergleich zu gefloppten Filmen und Serien, die über DVDs noch Geld machen, oder Alben, die mit einer Tour des Interpreten angeheizt werden können, haben die grafisch schnell angestaubten Spiele hingegen meist nur eine Chance. Nur in den seltensten Fällen (Stichwort: Psychonauts) liefern die Steam-Sales lange nach dem Erscheinen der Titel auch noch maßgebliche, finanzielle Beiträge - es sei denn es handelt sich um einen Klassiker. Daher ist es durchaus verständlich, dass Studios und Publisher ihre Verkaufszahlen von Anfang an möglichst hoch halten wollen.

Was man davon als Konsument halten soll, ist einem selbst überlassen. Persönlich freue ich mich über jeden Bonus, den ich bei Spielen bekomme, die ich ohnehin vorbestellt hätte. Dass diese Vorfreude zugunsten der Verkaufszahlen instrumentalisiert wird, ist jedoch bedenklich. Der Treibstoff für die Hype-Maschine darf nämlich nicht auf Kosten des eigentlichen Spiels gehen. Ansonsten herrscht viel "Vorbesteller-Lärm" um nichts.
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